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Anwalt im Blindflug?

Beate Zschäpes neuer Anwalt Mathias Grasel nimmt zum ersten Mal am NSU-Prozess teil, das Gericht setzt das Verfahren aus. Wie der Jurist sich vernünftig auf ihre Verteidigung vorbereiten will, ist zweifelhaft.

Der Neue steuert allein auf die Anklagebank im Gerichtssaal A101 zu. Im NSU-Prozess ist nichts vorbereitet für Mathias Grasel, Strafverteidiger aus München mit eigener Kanzlei, es gibt keinen Stuhl für ihn. Auf ihren Plätzen sitzen bereits die Verteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. Ihre Mandantin, die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, wollte Sturm vor Kurzem mit einem Antrag ans Gericht aus dem Team herauslösen. Ein Jahr zuvor sogar alle drei. Nichts davon hat geklappt. Nur einmal hat Zschäpe Erfolg gehabt: Das Gericht hat ihr Grasel als weiteren, als vierten Pflichtverteidiger an die Seite gestellt.

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216. Prozesstag – Tom T., ein alter Kamerad

Update: Die Verhandlung wird bis einschließlich 13. Juli unterbrochen, damit sich Beate Zschäpes neuer Anwalt Mathias Grasel einarbeiten kann. Die Zeugen werden erneut geladen.

Am Dienstag sagt der Zeuge Tom T. aus dem thüringischen Stadtroda aus. Er ist einer der frühen Wegbegleiter des NSU-Trios und war dabei, als sich Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt während der neunziger Jahre in der rechtsextremen Kameradschaft Jena radikalisierten. Dabei schloss er auch Bekanntschaft mit den Mitangeklagten Holger G. und Ralf Wohlleben. Seine Erinnerungen an die gemeinsame Zeit dürften Rückschlüsse auf die Gedankenwelt von Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt zulassen, die 1998 Jena verließen und im Untergrund ihre Mordserie begonnen haben sollen.

Ebenfalls zu den Anfängen des Trios sagt ein Kommissar des Thüringer Landeskriminalamts aus. Er hatte sich damals wiederholt mit Mundlos und Böhnhardt beschäftigt. Die beiden Neonazis waren keineswegs unauffällig, sondern traten immer wieder ins Blickfeld der Polizei – etwa, als sie Gedenkbanner für Rudolf Heß enthüllten oder an Aufmärschen teilnahmen.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

215. Prozesstag – V-Mann-Führer von Informant Piatto geladen

Der Rechtsextreme Carsten Sz. ging in den Knast, weil er an der Tötung eines Menschen beteiligt war – und ziemlich schnell wieder heraus, weil er unter dem Decknamen Piatto für den Brandenburger Verfassungsschutz exklusive Informationen aus der Szene lieferte. Darunter befand sich auch ein wertvoller Tipp auf das untergetauchte NSU-Trio. Warum wurde die Information nicht genutzt, blieb das Trio unbehelligt? Diese Frage muss sich heute einer der V-Mann-Führer von Sz. gefallen lassen. N. Görlitz vom brandenburgischen Geheimdienst war dafür zuständig, die Informationen von Piatto aufzunehmen, er ist als Zeuge in die Sitzung geladen.

Ebenfalls als Zeuge tritt ein Polizist auf. Der Kommissar der Polizei Rastatt berichtet über Beweisstücke aus dem Besitz des NSU-Trios, die er ausgewertet hatte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

„Dieser Mann lügt!“

Könnte der Verfassungsschützer Andreas T. eine Pistole zum Tatort gebracht haben? Ein Telefonat zeigt, wie dieser Verdacht Zweifel in seiner Familie säte – und Beate Zschäpe rebelliert gegen das Gericht.

Es ist wohl nicht die Schuld des Verfassungsschützers Andreas T., dass der Deutschtürke Halit Yozgat im April 2006 in seinem Kasseler Internetcafé erschossen wurde. Soweit der offizielle Stand der Bundesanwaltschaft. Dass diese Tat beinahe T.s Leben zerstörte, dass sie ihn seinen Arbeitsplatz kostete und das Vertrauen seiner Frau, dass sie peinliche Angelegenheiten aus seinem Privatleben in die Öffentlichkeit schwemmte, das allerdings hat sich T. sehr wohl selbst zuzuschreiben.

Während seine Frau hochschwanger zu Hause war, chattete T. in dem Internetcafé mit einer Fremden. Bevor er ging, fielen zwei Schüsse, sie trafen Yozgat in den Kopf. Abgefeuert haben sollen sie die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. T. behauptet bis heute, er habe weder Geräusche gehört noch den Toten gesehen.

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214. Prozesstag – Verfassungsschützer Andreas T. und seine Frau

Es ist bereits sein sechster Auftritt im NSU-Prozess: Der frühere hessische Verfassungsschützer Andreas T. muss erneut als Zeuge aussagen. Auch seine Ehefrau ist geladen. T. war Gast im Internetcafé des Kasselers Halit Yozgat, als dieser am 6. April 2006 erschossen wurde – will die tödlichen Schüsse jedoch nicht gehört haben. Deshalb galt er kurzzeitig als Beschuldigter.

Hintergrund der neuen Ladung ist eine Detailfrage: Zeugen hatten sich erinnert, dass T. bei seinem Besuch eine Plastiktüte mit sich führte, in der sich ein schwerer Gegenstand abzeichnete. Anwälte der Nebenklage wollen abklären, ob es sich dabei um die Tatpistole gehandelt haben könnte – was zu dem Schluss führen würde, das T. in die Tat verwickelt gewesen wäre. Seine Frau erinnerte sich in einem abgehörten Telefonat, dass er mit einer Tüte unterwegs war. Heute muss der ehemalige Geheimdienstler dazu auch selbst sein Gedächtnis bemühen.

Ein weiterer Zeuge ist Aleksander H., ein Schulkamerad des NSU-Mitglieds Uwe Mundlos. Es ist sein dritter Termin in München. Bei den ersten beiden Vernehmungen hatte er Fragmente von Mundlos‘ Weg in die rechte Szene nachgezeichnet, auch über die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sprach er. Dabei beschrieb er sie als selbstbewusst, teils auch aggressiv.

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213. Prozesstag – Hessischer Verfassungsschützer soll Antworten liefern

Es war eine weitere, eine sehr mysteriöse Volte im Fall des Kasseler Verfassungsschützers Andreas T.: Nach dem Mord an Halit Yozgat von 2006 unter Verdacht geraten, telefonierte er mit dem Geheimschutzbeauftragten beim Verfassungsschutz, Gerald Hasso Hess. Der raunte ihm in dem abgehörten Gespräch einen merkwürdigen Satz zu: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren.“ Ein Hinweis, dass die Behörde in das Tötungsdelikt verwickelt war und nun die Wahrheit vertuschen wollte – oder ein harmloser Spruch am Rande? Heute erklärt sich Hess zu seinen Äußerungen im NSU-Prozess, er ist als Zeuge geladen.

Zuvor hört das Gericht zwei Opfer des Anschlags in der Kölner Keupstraße von 2004, Meral K. und Yavuz S. Beide Zeugen nehmen auch als Nebenkläger am Prozess teil. Die Sachverständigen Oliver Peschel und Rüdiger Mölle beurteilen im Anschluss mit Gutachten, wie schwer die Verletzungen der beiden gewogen haben.

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212. Prozesstag – Gefährliche Schüsse beim Überfall

Im Dezember 1998 beging der NSU seine erste bekannte Straftat im Untergrund: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt überfielen einen Supermarkt in Chemnitz, um an Geld zu kommen. Dabei wäre es beinahe schon blutig zugegangen: Bei der Flucht folgte ihnen ein 16-Jähriger auf den Parkplatz, die Täter schossen mehrmals in seine Richtung. Heute sagt der Zeuge von damals, Falco K., in München aus. Der Sachverständige Oliver Peschel schätzt in einem Gutachten ein, wie stark K. durch die Schüsse gefährdet war. Auch ein anderer Kunde, der den Überfall miterlebt hatte, ist in den NSU-Prozess geladen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Wenn der Verfassungsschutz abgehört wird

Manipulierte der hessische Verfassungsschutz die Ermittlungen im Kasseler NSU-Mord? Das Gericht hört Telefonate des Verdächtigen Andreas T. – und Beate Zschäpe spricht in der Verhandlung.

Welche Stimmung im Frühjahr 2006 auf den Fluren des hessischen Landesamts für Verfassungsschutz herrschte, lässt sich nur erahnen. In der Kasseler Außenstelle der Behörde filzten Polizisten das Büro des Mitarbeiters Andreas T., in der Tiefgarage durchsuchten sie seinen Dienstwagen. Zwischendrin perplexe Geheimdienstler, die einen unglaublichen Verdacht verdauen mussten: dass einer der ihren am 6. April den Deutschtürken Halit Yozgat erschossen haben könnte – Andreas T.

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211. Prozesstag – Die mysteriösen Telefonate von Andreas T.

Die rätselhaften Todesumstände des 2006 ermordeten Kasselers Halit Yozgat sind noch lange nicht geklärt – deshalb muss sich das Gericht erneut mit dem damals angeblich zufällig anwesenden Verfassungsschützer Andreas T. beschäftigen. Hintergrund sind merkwürdige Telefonate, die T. nach der Tat mit Kollegen führte und die von Ermittlern abgehört wurden. Drei Gesprächspartner sind am Mittwoch als Zeugen geladen.

Einer von ihnen ist Frank-Ulrich F., der bereits im vergangenen Jahr im Prozess ausgesagt hatte. T.s ehemaliger Vorgesetzter lobte ihn in einem Gespräch, dass er bei der Behördenleitung nicht „so restriktiv wie bei der Polizei“ ausgesagt habe“ – ein Hinweis, dass T. dort etwas verschwiegen haben könnte. F. wollte an die Telefonate keine Erinnerung mehr haben.

T. galt nach dem Mord zeitweilig als Tatverdächtiger, weil er sich nicht freiwillig bei der Polizei gemeldet hatte. Er will die tödlichen Schüsse auf Yozgat nicht bemerkt haben. In der kommenden Woche müssen er selbst sowie seine Ehefrau aussagen, deren Telefon ebenfalls abgehört wurde.

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210. Prozesstag – Mutmaßlicher Sympathisant des NSU-Trios sagt aus

Der Prozess wird trotz der neuen Vertrauenskrise zwischen der Hauptangeklagten und ihren Verteidigern planmäßig fortgesetzt. Auch Zschäpes Rechtsanwältin Anja Sturm wird auf ihrem Posten bleiben. Deren Ablösung hatte Zschäpe am letzten Sitzungstag beantragt. Das Gericht hat darüber noch nicht entschieden, Zschäpe bis Mittwoch Zeit, die Trennung genauer zu begründen. Bis dahin verhandelt das Gericht in alter Verteidiger-Besetzung weiter.

Als Zeuge ist am heutigen Dienstag ein mutmaßlicher Sympathisant der rechtsextremen Terroristen geladen. Das Gericht will außerdem Beweise zu einem Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau 2002 und mehrere Videodateien des NSU-Trios sichten. Dazu soll ein Kriminalhauptkommissar aussagen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.