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112. Prozesstag – Kontakt zur Außenwelt Jürgen H.

Kurz nach dem Untertauchen des NSU-Trios 1998 observierten Zielfahnder des thüringischen Landeskriminalamtes den wegen Beihilfe zum Mord mitangeklagten Ralf Wohlleben. Dabei fiel ihnen ein Kurier auf, der sich immer wieder auf einem Parkplatz mit Wohlleben getroffen habe. Vorher habe der Kontaktmann Jürgen H. stets eine Mailbox abgehört und mutmaßlich Nachrichten des NSU-Trios empfangen.

Am Montag sagt Jürgen H. als Zeuge aus. Er soll Aufschluss darüber geben, wie die untergetauchten Terroristen ihre Kontakte zur Außenwelt organisierten. Der Kurier soll auch Exemplare des judenfeindlichen “Pogromly“ -Spiels bei sich zwischengelagert haben, das Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Untergrund produziert haben sollen. Die Spiele sollten verkauft werden und der Erlös an das NSU-Trio fließen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Eine Analyse veröffentlichen wir auf diesem Blog. Weitere Berichte fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Verhandlungstag erneut abgebrochen

Wie am Vortag konnte das Gericht am Donnerstag wegen einer Erkrankung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe nicht weiter verhandeln. Richter Manfred Götzl brach die Sitzung ab. In der nächsten Woche tritt der Senat nicht zusammen, der nächste Prozesstag ist Montag, der 19. Mai.

Geladen waren zunächst zwei Frauen, die das NSU-Trio im Urlaub kennenlernte. Im Anschluss wollte der Senat von zwei Zeugen Erkenntnisse über das Wohnmobil gewinnen, mit dem Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt beim Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter unterwegs waren, die 2007 in Heilbronn erschossen wurde.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Verhandlung fällt aus, weil Zschäpe krank ist

Die als 111. Prozesstag geplante Sitzung entfällt, weil die Hauptangeklagte Beate Zschäpe erkrankt ist. Das teilte Richter Manfred Götzl am Vormittag mit. Zschäpe hatte bereits am Vortag über Übelkeit geklagt, daraufhin war die Verhandlung abgebrochen worden.

Geladen waren der Rechtsanwalt Thomas Jauch, dem sich das Trio nach seiner Flucht im Jahr 1998 anvertraut hatte, die Frau des Mitangeklagten Ralf Wohlleben und der Bruder des NSU-Mitglieds Uwe Böhnhardt.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Ins Herz der Republik

Der NSU wollte Deutschland zerstören. Der Prozess um die Taten der Terrorzelle bewirkt nun das Gegenteil: Menschen aus der ganzen Republik arbeiten im Gerichtssaal zusammen an der Aufklärung. Was bisher bekannt ist, zeigt ZEIT ONLINE in einer interaktiven Grafik.

Um Deutschland ins Herz zu treffen, musste der NSU nicht besonders genau zielen. Die mutmaßlichen Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mussten keinen bestimmten Punkt treffen, sie mussten kein Bauwerk zerstören und keine berühmte Persönlichkeit angreifen. Durch die schiere Anzahl der Taten, die ihnen vorgeworfen werden, erschütterten sie das Land: Sie ermordeten neun Migranten und eine deutsche Polizistin, verletzten knapp zwei Dutzend Menschen bei Anschlägen. „Die NSU-Morde sind unser 11. September“, sagte Generalbundesanwalt Harald Range.

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110. Prozesstag – Kubasik-Mord erneut auf der Tagesordnung

Heute vor einem Jahr ist der NSU-Prozess eröffnet worden. Mittlerweile hat das Gericht die Beweisaufnahme zu den zehn Morden des NSU nahezu komplett abgeschlossen. Einer der letzten Termine dazu ist der 110. Prozesstag, an dem ein Ermittler gehört wird, der im Fall des Mords an Mehmet Kubasik von 2006 in Dortmund recherchierte. Die Arbeit des Beamten ist möglicherweise ein Sinnbild für die häufig fehlgeleiteten Ermittlungen der Polizei: Er vernahm insbesondere Zeugen aus Migrantenkreisen, auch das Thema Schutzgeld klang dabei an – während die mutmaßlichen rechtsextremen Täter auf lange Zeit unentdeckt blieben.

Im Anschluss sagen zwei Polizisten aus, die den Zeugen und mutmaßlichen NSU-Unterstützer Thomas S. vernommen hatten.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

109. Prozesstag – Ermittler sagen über Thomas S. aus

Am Dienstag sagen zwei Beamte des Bundeskriminalamts aus, die den Zeugen Thomas S. vernommen hatten. Bei seinem Gerichtstermin Anfang April hatte der Zeuge die Aussage verweigert, weil gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft – nachdem er sich in den Vernehmungen zuvor umfangreich geäußert hatte.

S. gilt als Unterstützer des mutmaßlichen Terrortrios. Ende 1996, als die NSU-Mitglieder Bomben bauten und in Jena abstellten, lieferte er ihnen laut Anklage zwei Kilo TNT-Gemisch. Den Sprengstoff fanden Ermittler auch in Rohrbomben, die sie bei einer Razzia Anfang 1998 in Beate Zschäpes Garage sicherstellten. Als die drei daraufhin untertauchten, soll S. ihnen zwei Wohnungen bei Bekannten vermittelt haben.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Der Mann zwischen den Ländern

Über eine deutsch-schweizerische Seilschaft gelangte der NSU an seine Mordwaffe. Das Bindeglied zwischen den Ländern war der Zeuge Enrico T., der heute aussagt. Schon bei der Polizei hatte er sich in Widersprüche verstrickt.

Enrico T. muss heute genau aufpassen, was er sagt. So genau, dass ihm bei seiner Aussage im NSU-Prozess ein Anwalt zur Seite steht. Als er Mitte März zum ersten Mal im Gerichtssaal erschienen war, hatten mehrere Verteidiger der Angeklagten einen Zeugenbeistand für ihn gefordert – mit Erfolg: T. durfte vorerst gehen. Nun ist er erneut geladen. Als Zeuge könnte er wichtige Angaben zur Lieferung der Pistole Ceska 83 machen, mit der Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten erschossen haben sollen. Falls er dabei zu viel sagt, könnten ihm diese Angaben selbst zum Verhängnis werden.

Die Pistole soll der Mitangeklagte Carsten S. um die Jahrtausendwende Mundlos und Böhnhardt in die Hand gedrückt haben. Bis es dazu kam, war sie durch mehrere Hände gegangen. Glied für Glied hatten Ermittler des Bundeskriminalamts und der Schweizer Polizei die Kette der Lieferung zusammengesetzt. Schnell stießen sie dabei auch auf den Namen Enrico T. Sie kamen zu dem Schluss, dass er kein Unbeteiligter war.

Vielmehr war T. offenbar das Scharnier einer unheilvollen Connection zwischen Sympathisanten aus Deutschland und der Schweiz. Ist es also möglich, dass der Zeuge ahnte, wofür eine Pistole in diesen Kreisen eingesetzt werden könnte? Lässt sich diese Vermutung beweisen, wäre T. der Beihilfe zum Mord schuldig. Dann könnte er die Aussage unter Umständen auch verweigern.

Die Waffe hat er den Recherchen zufolge indes nie zu Gesicht bekommen. Sie war 1996 aus Tschechien an einen Schweizer Waffenhändler geliefert worden. Dieser verkaufte sie einem Landsmann, der sie wiederum an den Mittelsmann Hans-Ulrich M. weitergab. Der Schweizer Staatsbürger M. lebte in den neunziger Jahren in Apolda in der Nähe von Jena, wo er eine Autowerkstatt betrieb. Dort half ihm gelegentlich T. im Austausch für Autoteile. Die beiden wurden Freunde.

Sie hielten auch dann noch zusammen, als bekannt wurde, dass M. in Deutschland angeblich mit Waffen handelte. Bei einer Durchsuchung 1997 fanden Polizisten in M.s Auto eine Luger-Pistole. Bei der anschließenden Vernehmung sagte er aus, mit T. bekannt zu sein. So kamen die Ermittler dem Thüringer auf die Spur, nachdem der NSU 2011 aufgeflogen war. Sie durchsuchten seine Wohnung und luden ihn zweimal zur Vernehmung.

Auch auf deutscher Seite rekonstruierten die Beamten den Weg der Waffe. Demnach verkaufte M. sie an den Zeugen Jürgen L., der sie weitergab an Andreas Sch., Mitarbeiter im Jenaer Szeneladen Madley. Dort nahm sie schließlich Carsten S. in Empfang.

Wie aber waren Hans-Ulrich M. und Jürgen L. miteinander in Kontakt gekommen? L. zählte wie M. zu den besten Freunden von T. Gemeinsam schraubten T. und L. an Autos, halfen sich bei Umzügen. Für die Ankläger steht fest, dass T. seine Freunde miteinander bekannt machte, so dass diese sich auf einen Waffendeal einigen konnten. Das bestreitet der Zeuge bis heute – wenngleich er in seinen Vernehmungen einsah, „dass dies nicht besonders glaubwürdig klingt“.

Auch seine Vergangenheit erweckt nicht gerade den Eindruck, T. könnte rein zufällig in den Waffentransport hineingezogen worden sein. Der Polizei war er seit den neunziger Jahren bestens bekannt. Immer wieder wurde gegen ihn ermittelt wegen Überfällen, Bankeinbrüchen und Diebstählen. Zwischen 1997 und 2000 saß er im Gefängnis – erst verbüßte er eine Strafe wegen Waffendiebstahls, später kam Untersuchungshaft dazu, weil er eines Mordes verdächtigt war. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch eingestellt. Nachdem er eine Arbeit als Lokführer aufgenommen hatte, wurde er seltener auffällig.

Bis dahin war er ein Musterbeispiel für die Verquickung der Milieus von Rechtsradikalen und Kriminellen in Thüringen. Anfang bis Mitte der Neunziger gehörte zu seinen Kumpels auch Uwe Böhnhardt. Die beiden waren sich damals erstaunlich ähnlich: Sie pflegten eine rechte Gesinnung und hatten viel Zeit. Laut Zeugenaussagen stahlen sie gemeinsam Autos und fuhren betrunken durch die Gegend. Die Clique, in der sie sich trafen, hatte ein Faible für Schusswaffen.

In seinen Vernehmungen im Jahr 2012 stritt T. eine solche Affinität jedoch ab. So sagte er im April, er habe „niemals eine Waffe in der Hand gehabt“. Tatsächlich hatten Polizisten im Jahr 2004 sein Auto durchsucht und dort einen sogenannten Schießkugelschreiber entdeckt. Sein Freund M. hatte seinerzeit mehrere Modelle davon in Deutschland verkauft. Als ein Beamter das Gerät anfasste, löste sich ein Schuss. Bei einer weiteren Vernehmung im August 2012 gab T. auf mehrfache Nachfragen zu, den Kuli erhalten zu haben, allerdings nicht unbedingt von M.

Die Bundesanwaltschaft wunderte sich auch, dass T. in seiner Wohnung mehrere tausend Euro hortete. Der Zeuge erklärte, er habe geahnt, dass „die Sache mit Herrn M.“ auf ihn zurückfallen werde. Er fürchtete, in Untersuchungshaft zu kommen. Deswegen „wollte ich Bargeld bei mir haben fürs Gefängnis“. T. präzisierte noch: Er habe geahnt, dass die Waffe des Trios von M. stammte.

 

108. Prozesstag – Mutmaßlicher Helfer Enrico T.

Aus Tschechien über die Schweiz nach Deutschland – beim Transport der NSU-Mordwaffe Ceska 83 waren mehrere Männer beteiligt, die sich nun in der Verhandlung erklären müssen. Zu ihnen gehört auch Enrico T., der bereits im März vor Gericht erschienen war – und gleich wieder ging, weil ihm kein Zeugenbeistand zur Seite gestellt worden war. Am Montag ist T. erneut geladen. Er wird sich mit einem Anwalt an seiner Seite äußern.

Den Ermittlungen zufolgte war der Zeuge mit einem Schweizer befreundet, der die Waffe 1996 in seinem Heimatland gekauft haben soll. Demnach stellte er den Kontakt zwischen seinem Freund und dem Thüringer Jürgen L. her, der sie schließlich nach Jena schaffte.

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107. Prozesstag – Früheres Szenemitglied Jana J.

Zum zweiten Mal ist am Mittwoch die frühere Freundin des Zeugen André K. geladen, die sich mit ihm in rechten Kreisen bewegte. Jana J. soll Eindrücke aus der Zeit liefern, in der sich das spätere NSU-Trio in der Jenaer Naziszene kennenlernte. Bei ihrem ersten Auftritt im März hatte J. ausgesagt, dass Beate Zschäpe eine Waffe bei sich getragen habe.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

Nach dem 107. Verhandlungstag legt der NSU-Prozess eine Pause ein. Der nächste Verhandlungstag ist der 28. April. Neuigkeiten rund um das Prozessgeschehen dokumentieren wir selbstverständlich auch in der Zwischenzeit auf diesem Blog.

 

106. Prozesstag – Sprengstofffund und Verfassungsschützer T.

Am 26. Januar 1998 durchsuchten Ermittler eine von Beate Zschäpe gemietete Garage in Jena. Dort machten sie einen gefährlichen Fund: Rund 1,4 Kilo TNT-Sprengstoff lagerten in dem Raum, teils zu Rohrbomben verbaut. Am Dienstag hört das Gericht einen Beamten des Thüringer Landeskriminalamts, der damals bei der Durchsuchung dabei war. Die Aufdeckung der Bombenwerkstatt war für das Trio aus Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt der Anstoß, in den Untergrund zu gehen. Dort begannen sie ihre Mordserie.

Im Anschluss sagt nun schon zum fünften Mal der frühere hessische Verfassungsschützer Andreas T. aus. Er war beim Mord an Halit Yozgat im Jahr 2006 Gast in dessen Kasseler Internetcafé, will den Mord jedoch nicht bemerkt haben. T. war bei seinen vergangenen drei Auftritten vor Gericht immer wieder mit den Widersprüchen und Unzulänglichkeiten seiner Aussagen konfrontiert worden. Zuletzt hatten sich auch ehemalige Kollegen und der damalige Behördenleiter Lutz Irrgang zum Fall T. geäußert.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.