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Pro-zyklische Finanzpolitik ist verantwortlich für den Crash

Gegen Abend kam der Ausverkauf an den Aktienmärkten und Rohstoffmärkten erst einmal zu einem Ende. Die Anleger erwarten, dass der Chef der Fed angesichts der Panik der vergangenen Tage heute noch einmal ein Kaninchen aus dem Hut zaubern wird. Er könnte beispielsweise verkünden, dass die Notenbank künftig stärker am langen Ende der Renditekurve intervenieren wird oder dass auf Jahre hinaus nicht geplant ist, die Notenbankbilanz wieder zu verkürzen. So oder so, die Botschaft wird sein, dass es nicht an Liquidität mangeln wird. Das wird die Aktienmärkte in den nächsten Tagen vermutlich etwas beruhigen, aber nichts daran ändern, dass sich die amerikanischen Konsumenten mit ihren Ausgaben zurückhalten – ihre Schulden sind einfach zu hoch. Weiter„Pro-zyklische Finanzpolitik ist verantwortlich für den Crash“

 

Trichets letzter Streich

Kurz vor Ende seiner Amtszeit meldet sich Jean-Claude Trichet zurück. Die EZB hat ihr umstrittenes Bondprogramm reaktiviert und wieder damit begonnen, Anleihen der Krisenstaaten am Sekundärmark aufzukaufen – und sie geht dabei recht clever vor. Offenbar kaufen die Händler der Notenbank Papiere aus Portugal und Irland, Länder also, die derzeit nicht am Markt sind, weil sie mit Rettungskrediten der EU versorgt werden. Weiter„Trichets letzter Streich“

 

Die letzten Tage des alten Europas

Europa steuert auf die Entscheidungsschlacht zu. Wenn sich der Risikoaufschlag auf spanische und italienische Staatsanleihen auf dem aktuellen Niveau hält, können beide Länder früher oder später Bankrott anmelden – was uns wieder einmal zeigt, dass eine Pleite kein objektiver Zustand ist, sondern eines von mehreren möglichen Gleichgewichten.

Letztlich können wir nur hoffen, dass die aktuellen Renditen wirklich ein Ergebnis der Panik an den Märkten sind – dass es sich also um eine Fehlbewertung handelt. Mit Liquiditätskrisen kann Europa umgehen, genau deshalb wird jetzt ein Europäischer Währungsfonds eingerichtet, der im Zweifel die überhohen Renditen durch den Ankauf von Anleihen auf dem Sekundärmarkt oder die Vergabe von Garantien nach unten prügelt. In diesem Fall wäre damit auch kein Transfer verbunden.

Und wenn der neue Fonds nicht rechtzeitig fertig und schnell genug aufgestockt wird, weil die Parlamentarier es vorziehen, in den Sommerurlaub zu fahren, während der Kontinent brennt, dann muss eben die EZB noch einmal ran. Sie hat im Prinzip unbegrenzte Ressourcen und kann ohne langwierige Abstimmungsprozesse handeln. Es wäre nicht das erste Mal, dass die Notenbanker einspringen, weil die Finanzpolitik versagt. Und der erste deutsche Abgeordnete, der etwas vom Überschreiten des Rubikon faselt, sollte sein Mandat zurückgeben.

Wenn wir es aber, woran ich nicht glaube, doch mit Solvenzproblemen zu tun hätten, wenn also wirklich halb Europa pleite ist, dann weiß ich auch nicht weiter. Dann bleibt nur der Euro-Bond oder die Auflösung der Währungsunion.

Was also tun?

 

Die Reichen kommen davon

Im letzten Moment hat die US-Politik verhindert, dass der Regierung in Washington morgen das Geld fehlt, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Die USA sind damit nur knapp den Verhältnissen einer Bananenrepublik entkommen.

Der gefundene Kompromiss ist eine herbe Niederlage für Barack Obama und schadet der amerikanischen Wirtschaft. Denn der US-Präsident hat so gut wie alle Forderungen der Republikaner übernommen: Trotz Rekorddefizit wird es keine Steuererhöhungen geben, zur Konsolidierung des Haushalts werden nur Ausgaben gekürzt. Weiter„Die Reichen kommen davon“

 

Sinns Werk?

Reuters:

Eine Störung hat am Montag für einen zeitweisen Ausfall des Zahlungsverkehrssystems Target 2 der Notenbanken in der Euro-Zone gesorgt. Laut Geldhändlern waren grenzüberschreitende Zahlungen ab 7.00 Uhr morgens nicht möglich, Aufträge seien stundenlang über Fax abgewickelt worden

 

Schaden uns die Euro-Hilfen?

Die zentrale These von Hans-Werner Sinn und vielen seiner Kollegen (inklusive Henry Kaspar in diesem Blog) ist bekanntlich, dass die deutschen Investitionen in den vergangenen Jahren schwächelten, weil der Arbeitsmarkt zu starr war und das Kapital nach Griechenland und in die USA floh. Jetzt boomen die Investitionen wieder, weil das Kapital zu Hause bleibt und Rot-Grün den Arbeitsmarkt reformiert hat. Insofern wären die Hilfen für die Peripheriestaaten für Deutschland schädlich, denn wenn es diesen Ländern besser geht, fließt das Kapital bei uns ja wieder ab. Soweit Sinns Welt.

Zusammen mit Sebastian Dullien bin ich im Wirtschaftdienst dieser These einmal nachgegangen, mit erstaunlichen Ergebnissen: Es gab wohl ein schwere Krise nach der Jahrtausendwende, es gab aber keine strukturelle deutsche Investitionsschwäche, zumindest wenn man sich die in diesem Zusammenhang relevanten privaten Unternehmensinvestitionen anschaut. Man kann nun für oder gegen Arbeitsmarktreformen sein, man kann für oder gegen die Euro-Hilfen sein – mit der deutschen Wirtschaftskraft lassen sich die Positionen jedoch nicht begründen.

Viel Spaß beim lesen.

 

Der Schieritz-Plan

Immer nur herumkritisieren an dem, was die Kanzlerin oder der Finanzminister machen, das ist billig. Hier also kommt pünktlich zum großen Gipfel mein eigener 5-Punkte-Plan zur Rettung des Euro. Ich gehe dabei von der Prämisse aus, dass die Währungsunion in ihrer jetzigen Form erhalten bleibt, sowohl was die Zusammensetzung als auch den Charakter angeht, dass aber ein zentraler Konstruktionsfehler beseitigt wird: Der Verlass auf die Finanzmärkte als Instrument für die Disziplinierung der Haushaltspolitik und die innereuropäische Kapitalallokation. Weiter„Der Schieritz-Plan“

 

Die FAZ will nicht mehr umschulden

Sehr aufschlussreiche Analyse von Holger Steltzner in der FAZ, mit dem Schlüsselsatz:

Wenn Griechenland den Schuldenschnitt wählt, darf das Land nicht Mitglied der Währungsunion bleiben, weil sonst jedes Stabilitätsprinzip gebrochen wird. Wenn alle Schuldenschleusen offen sind, was soll dann noch ein Land zu solider Haushaltsführung antreiben?

Interessant ist nicht der inhaltliche Standpunkt, den ich hier auch nicht bewerten will. Interessant ist, dass sich mit Steltzner die Leitfigur der deutschen Konservativen gegen eine Umschuldung stellt beziehungsweise er diese nur unter der Nebenbedingung zulassen will, dass Griechenland aus der Währungsunion geworfen wird.

Da sich in den vergangenen Monaten vor allem konservative Ökonomen für eine Umschuldung mal eben so – nach dem Motto: seit dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden viele Staaten umgeschuldet, das ist doch alles kein Problem –  ausgesprochen haben, bin ich gespannt, ob sie ihre Position revidieren. Denn die Anreizprobleme einer Umschuldung in einer Währungsunion und ihre Auswirkungen auf die Zentralbankbilanz sind urkonservatives Terrain und wurden von einigen Vertretern der Zunft wohl nicht ausreichend bedacht.

Es dürfte einige Debatten geben in den konservativen Zirkeln der Republik.

 

Wo Dirk Kurbjuweit irrt

Dirk Kurbjuweit attackiert in einem Essay im neuen Spiegel, die vermeintliche Sprachlosigkeit der Kanzlerin unter anderem in der Euro-Krise.

Es ist hohe Zeit für Reden an die Bevölkerung, es ist die Zeit für große Reden, jedenfalls klärende. Merkel verweigert das. (…) Es muss geredet werden. Das Reden gehört nicht nur zur Demokratie, es ist das Wesen der Demokratie. Ohne Worte wird sie zum Skelett. Reden Sie, Kanzlerin, reden Sie endlich.

Bitte nicht! Es wird nicht zu wenig, sondern zu viel geredet – gerade von Angela Merkel. Ständig erklärt sie sich den Bürgern, lobt den Euro, müht sich ab. Wie ein fleißiges Bienchen den Honig sammelt sie die Legitimität, auch weil das die Leitartikler von ihr erwarten – und je mehr sie sammelt, desto mehr wenden sich die Bürger ab (weil sie mit Europa nun einmal noch nie etwas anfangen konnten) und desto nervöser werden die Märkte (weil sie genau das wissen).

Eine saubere Lösung dieser Krise hätte so ausgesehen: Die EU garantiert erst einmal für die Schulden der Problemstaaten, dann trifft sich Merkel mit Papandreou in einem Hinterzimmer und macht ihm klar, dass sein Land alle Stimmrechte in Brüssel verliert, wenn nicht harte Reformen umgesetzt werden. Dann geht sie in die Tagesschau und erklärt mit festem Blick, dass alles in Ordnung sei. Die Märkte wären ruhig geblieben und die Reformen wären trotzdem auf den Weg gebracht worden. Der große strategische Fehler der Retterei war es, Konditionalität über die Märkte erzwingen zu wollen, statt diese Konditionalität politisch durchzusetzen. Denn wer mit dem Märkten spielt, der spielt mit dem Feuer. Wenn sie erst einmal brennen, dann brennen sie alles nieder. Nicht lange rumreden, sondern handeln – so wird Geschichte gemacht.

Stattdessen: Geschnatter und Chaos.