Lesezeichen
 

Die dummen Ameisen

Martin Wolf hatte am Mittwoch in der FT Aesops Fabel von den Ameisen und den Heuschrecken nacherzählt: Die Deutschen sind die Ameisen, ebenso wie die Japaner und Chinesen, sie sind allesamt fleißig und sparsam, wie nicht anders zu erwarten, und die Heuschrecken sind – na, wer wohl? – die Amerikaner, Briten, Griechen, Spanier, die tanzen und singen den ganzen Sommer, und wenn es dann Winter wird, haben sie nichts zurückgelegt und müssen die Ameisen anbetteln. Die aber sind hartherzig und geben nichts ab. Müssen sterben, die Heuschrecken. Das haben sie davon. Weiter„Die dummen Ameisen“

 

Europa ist gerettet!

Eine kleine Zusammenstellung der Nachrichten dieses Tages: Die Lage am Geldmarkt entspannt sich, die Renditeaufschläge schrumpfen, Spanien kündigt ein Sparprogramm ab.

Das alles bedeutet nicht, dass das Paket die strukturellen Probleme der Währung löst, aber dazu ist es ja auch nicht da. Es sollte den unmittelbar bevor stehenden Kollaps der Währungsunion verhindern und Liquiditätsengpässe bekämpfen.

Ich würde sagen: Das ist gelungen! Ein Hoch auf Nicolas, Jean-Claude und endlich auch Angie!

 

Gerettet oder nicht?

Ich schreibe für das Blatt, deshalb nur in aller Kürze: Ich halte das Rettungspaket für richtig und es ist den Deutschen noch anzurechnen, dass sie da mitgemacht haben. Der Euro stand auf dem Spiel.

Aber: Paul Krugman hat recht: Wir lösen mit der neuen Fazilität nur das Liquiditätsproblem, nicht das (mögliche) Solvenzproblem. Das ist schon mal was, aber es wird nicht reichen.

 

Merkel et moi

Viele Kommentatoren hier werfen mir Merkelfeindlichkeit vor, deshalb mache ich hier mein Verhältnis zur Kanzlerin öffentlich. Angela Merkel ist aus meiner Sicht keine schlechte Bundeskanzlerin. Sie hebt sich wohltuend von jenen Vorgängern ab, deren einzige Motivation darin besteht „da rein“ zu wollen. Sie ist unprätentiös, neugierig, skeptisch gegenüber den großen Erzählungen und analytisch stark. Das sind alles keine schlechten Eigenschaften und ich glaube auch, dass sie in den meisten wirtschaftspolitischen Fragen den Kern der Dinge erfasst. Weiter„Merkel et moi“

 

Griechenlands Schulden müssen gestreckt werden

Wenn es ernst wird, sind in der Währungsunion die Nationalstaaten gefragt. Es gibt, außer der Geldpolitik, keinen gemeinsamen Mechanismus zur Rettung von Regierungen, die zahlungsunfähig zu werden drohen. Die deutschen Steuerzahler, der Bundestag und das Verfassungsgericht verbitten sich bisher, dass eine internationale Stelle mit über die Finanzpolitik entscheidend. Der Brüsseler Haushalt ist zu klein (seit Jahrzehnten zwischen einem und eineinhalb Prozent des BIP der EU) und fällt daher nicht ins Gewicht. Er wird vom europäischen Parlament verabschiedet, in dem auch deutsche Abgeordnete mit zu bestimmen haben. No taxation without representation! war das Motto, als sich die Vereinigten Staaten einst vom Mutterland England lossagten. Niemand wird gern zur Kasse gebeten, wenn er gar keinen Einfluss darauf hat, was mit dem Geld geschieht. Die Kotaus, die gestern von der EZB, dem Internationalen Währungsfonds und der OECD vor der deutschen Regierung gemacht wurden, zeigen, dass diese internationalen Organisationen keine Druckmittel haben. Sie müssen betteln. Weiter„Griechenlands Schulden müssen gestreckt werden“

 

How to deal with a crisis 101

Brad DeLong zitiert zum Thema Griechenland aus dem Klassiker Lombard Street von Walter Bagehot:

„‚On extraordinary occasions,‘ says Ricardo, ‚a general panic may seize the country, when every one becomes desirous of possessing himself of the precious metals as the most convenient mode of realising or concealing his property,—against such panic banks have no security on any system.‘ The bank or banks which hold the reserve may last a little longer than the others; but if apprehension pass a certain bound, they must perish too.

The use of credit is, that it enables debtors to use a certain part of the money their creditors have lent them. If all those creditors demand all that money at once, they cannot have it, for that which their debtors have used, is for the time employed, and not to be obtained. With the advantages of credit we must take the disadvantages too; but to lessen them as much as we can, we must keep a great store of ready money always available, and advance out of it very freely in periods of panic, and in times of incipient alarm…“

Und weiter:

„The way in which the panic of 1825 was stopped by advancing money has been described in so broad and graphic a way that the passage has become classical. ‚We lent it,‘ said Mr. Harman, on behalf of the Bank of England,

by every possible means and in modes we had never adopted before; we took in stock on security, we purchased Exchequer bills, we made advances on Exchequer bills, we not only discounted outright, but we made advances on the deposit of bills of exchange to an immense amount, in short, by every possible means consistent with the safety of the Bank, and we were not on some occasions over-nice. Seeing the dreadful state in which the public were, we rendered every assistance in our power.

After a day or two of this treatment, the entire panic subsided, and the ‚City‘ was quite calm….“

 

No, we cannot

Die Rettungsaktion für Griechenland dürfte als der unprofessionellste bailout aller Zeiten in die Wirtschaftsgeschichte eingehen. Das wochenlange Hickhack der Politik (und die SPD liefert eine ähnlich erbärmliche Vorstellung ab wie Union und FDP) hat nun auch den letzten Marktteilnehmer verunsichert. Europa steht in Flammen und es ist nicht mehr auszuschließen, dass wir gerade den Anfang vom Ende der Währungsunion erleben. Weiter„No, we cannot“

 

Zurück zu den alten Ungleichgewichten

Im neuen Monatsbericht der EZB gibt es die folgende aufschlussreiche Graphik (eigene Darstellung):

Grafik: Weltweites reales Wirtschaftswachstum

Sie zeigt, dass es, wenn der Internationale Währungsfonds und die EZB recht haben, bereits in diesem Jahr – und erst recht in den folgenden Jahren bis 2014 einschließlich -, wieder Wachstumsraten des globalen realen BIP geben wird, die denen der sieben Vor-Krisenjahre kaum nachstehen. Das heißt, das BIP wird im Durchschnitt mit etwas mehr als 4 Prozent jährlich expandieren. Das ist, wie stets beim IWF, auf der Basis von Kaufkraftparitäten, also mit synthetischen Wechselkursen gerechnet, wodurch die rasch wachsenden Schwellenländer und Entwicklungsländer ein größeres Gewicht bekommen als bei echten, marktbestimmten Wechselkursen (bei denen für das globale Wachstum knapp ein Prozentpunkt weniger herauskommen würde). Weiter„Zurück zu den alten Ungleichgewichten“

 

Woher kommen die Gewinne der Banken?

Ausgangspunkt meiner Fragestellung ist Dieter Wermuths Feststellung, die hohen Bankgewinne seien ein Zeichen für Marktversagen. Er schreibt (Börsen-Zeitung, 14.11.2009): „Wenn in einem Wirtschaftszweig derart gut verdient wird, sollte das aus der Sicht eines Ökonomen eigentlich dazu führen, dass die Gewinne durch den Markteintritt neuer Wettbewerber wegkonkurriert werden und sich dadurch den Standards im Rest des Unternehmenssektors annähern. Dass das nicht geschehen ist, kann nur als Marktversagen interpretiert werden.“ Weiter„Woher kommen die Gewinne der Banken?“

 

Hat sie oder hat sie nicht?

Die Märkte – und auf sie kommt es hier an – scheinen meine Interpretation des EU-Gipfels (die Europäer haben eine implizite Garantie für Griechenland abgegeben) nicht zu teilen. Die letzte Anleiheemission verlief nicht sehr gut, der Spread gegenüber deutschen Anleihen hat sich nicht vermindert. Also sind wir genau da, wo wir vor dem Treffen waren – bei einer recht weichen Garantie, die zwar ein paar Basispunkte bringt, aber eben nicht mehr.

Wir haben es also mit einer Art dreiviertel-bailout zu tun. Die Frage ist also, ob die Griechen mit sechs Prozent Zinsen überleben können. Wolfgang Münchau ist skeptisch.