Italien wackelt, wird aber nicht fallen

Italien könnte das neue Griechenland werden. Gemessen an den notleidenden Krediten im Bankensektor oder an der Verschuldung des Staates steht das Land ähnlich schlecht da wie der Nachbar auf der östlichen Seite der Adria, nur dass es um ganz andere Größenordnungen geht. Seit Jahren herrscht Rezession, aber es ist wegen der Auflagen von Maastricht nicht möglich, eine expansive Finanzpolitik zu betreiben; eine Abwertung ist ebenfalls ausgeschlossen. Konjunkturpolitisch gibt es kaum Spielraum, und bis Strukturreformen greifen, geht immer viel Zeit ins Land. Dennoch: Die Anleger vertrauen nach wie vor darauf, dass die Krise nicht auf systemgefährdende Weise eskalieren wird, sonst läge die Rendite der zehnjährigen Staatsanleihen nicht bei nur 1,2 Prozent und damit in der Nähe ihres Rekordtiefs. Weil der italienische Staat als guter Schuldner gilt, hat es anders als in Griechenland im Zuge der Eurokrise keine zweistelligen langen Zinsen gegeben. Weiter„Italien wackelt, wird aber nicht fallen“

 

Hat Wolfgang Schäuble wirklich gewonnen?

Die Griechenlandeinigung ist überwiegend als Sieg für Wolfgang Schäuble und als Niederlage für Christine Lagarde interpretiert worden. Je mehr über den Abend bekannt wird, desto größer sind allerdings meine Zweifel, dass die Sache so einfach ist.

So hat der IWF gestern Nacht die Mitschrift einer Pressekonferenz ins Netz gestellt, die erhebliche Zweifel daran weckt, ob die Beteiligung des Fonds tatsächlich schon als gesichert gelten kann. Demnach zahlt der IWF zunächst weiter nicht aus – bis eine neue Schuldentragfähigkeitsanalyse im Herbst nach seinem Geschmack ausfällt.

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Wichtig ist jetzt:  Der IWF will bei dieser Analyse ähnliche Annahmen verwenden wie derzeit – das bedeutet vor allem: Ein deutlich niedrigerer Primärüberschuss als die 3,5 Prozent, die die Europäer derzeit anpeilen.

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Halten wir also fest: Am Dienstag wurde vereinbart, dass die Schuldenerleichterungen nicht ex ante beschlossen werden. In diesem Punkt hat sich Schäuble durchgesetzt. Aber wenn ich den IWF hier richtig lese, dann müssen die Europäer bis zum Jahresende in Washington einen sehr detaillierten Schuldenerleichterungsplan vorlegen, der noch dazu auf Annahmen – wie deutlich reduzierten Sparauflagen – basiert, die sie bislang ablehnen.

Wir werden also im Herbst eine Wiederauflage des Schuldenstreits sehen – und im Rahmen dieses Streits wird die Bundesregierung sehr detailliert aufschreiben müssen, in welcher Höhe sie Griechenland die Schulden erlassen wird, sobald die Bundestagswahl vorbei ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Knaller im Wahlkampf sein wird.

 

Die Wendekanzlerin

Dies ist ein Beitrag über Angela Merkels Flüchtlingspolitik. Er beginnt aber mit der Eurokrise. Diese Krise hat die Kanzlerin anfangs bekanntlich als Staatsschuldenkrise verstanden und daraus den Schluss gezogen, dass ihr nur beizukommen sei, wenn in Europa mehr gespart werde. Zu diesem Zweck wurden Fiskalpakt, Stabilitätspakt und eine Reihe von anderen Pakten ersonnen beziehungsweise verschärft, und unter den deutschen Merkel-Beobachtern hat sich in der Folge die Einschätzung durchgesetzt, dass sie als Siegerin vom Platz gegangen ist: Sie war die Kanzlerin der Austerität.

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Der Irrweg der 1:1 Lösung: Hat sich Angela Merkel verzockt?

Angeblich wollte ein britischer Gouverneur vor vielen Jahren eine Kobraplage in Indien beenden. Er belohnte deshalb jede tote Schlange mit einer Prämie. Alles schien gut zu laufen – es wurden jede Menge Exemplare abgeliefert. Irgendwann fand man aber heraus, dass die Kobras gezüchtet wurden, um das Geld zu kassieren. Weiter„Der Irrweg der 1:1 Lösung: Hat sich Angela Merkel verzockt?“

 

Die Notenbanken schaffen es nicht

Nullzinsen, aggressives Gelddrucken durch Verlängerung der Notenbankbilanzen (Quantitative Easing), Zusicherungen durch die Geldpolitiker, dass die Leitzinsen auf Jahre hinaus nicht angehoben werden (Forward Guidance), negative Zinsen auf die Überschussreserven der Banken bei der EZB, der Riksbank, der Schweizer Nationalbank und jetzt auch der Bank von Japan. Die „unkonventionellen“ Maßnahmen wollen kein Ende nehmen. Aber sie schlagen nicht an. Das Angebot an finanziellen Mitteln für die Banken ist reichlich und billig, nur es fehlt an der Nachfrage – die Wirtschaft steckt weiterhin in einer sogenannten Liquiditätsfalle, aus der sie sich mit geldpolitischen Maßnahmen allein offenbar nicht befreien kann.

Im Euroraum ist der Output, gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt, im Zeitraum 2008 bis 2015 trotz der ultraexpansiven Geldpolitik im Jahresdurchschnitt nur um 0,16 Prozent gestiegen. Die Arbeitslosenquote hat sich seit ihrem Höchstwert von 12,0 Prozent im Jahr 2013 kaum vermindert und lag 2015 immer noch bei 11,0 Prozent. In den vergangenen beiden Jahren hat die Wirtschaft zwar etwas an Fahrt aufgenommen. Aber angesichts des starken Rückenwinds durch die Euroabwertung, den Einbruch der Rohstoffpreise und die niedrigen Zinsen waren Zuwachsraten von rund 1,5 Prozent dann doch enttäuschend. Zumal jetzt schon wieder die nächste globale Rezession droht und der Instrumentenkasten der EZB de facto leer ist. Weiter„Die Notenbanken schaffen es nicht“

 

Eurozone stärker integrieren – möglich und nötig?

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Eine vertiefte Integration der Europäischen Union scheint derzeit alternativlos, die Frage der Flüchtlinge, die in die EU kommen, und die nicht enden wollende Griechenlandkrise unterstreichen dies. Die Uneinigkeit der Mitgliedstaaten, wenn es um die Lösung dieser dringenden Probleme geht, vermittelt aber immer wieder ein anderes Bild – den vermeintlichen Abbau von Gemeinsamkeiten. Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt hat dagegen erst kürzlich der Präsident der Kommission, zusammen mit den Präsidenten des Rates, der Eurogruppe, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Zentralbank, eine Reformblaupause für die Währungsunion vorgelegt. Mit dem sogenannte Juncker-Papier wollen die fünf Präsidenten den Weg weisen, auf dem eine vertiefte Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalunion zu erreichen ist. Im Zeitgespräch der September-Ausgabe des Wirtschaftsdienst diskutieren acht Wissenschaftler (Ökonomen, Politologen und Juristen) die Vorschläge und den Stand der allgemeinen Debatte zur europäischen Integration. Weiter„Eurozone stärker integrieren – möglich und nötig?“

 

Alternativen zu einem europäischen Finanzminister

Eins hat uns die griechische Krise gelehrt: So wie der Euro konstruiert ist, wird er nicht überleben. Schon das kleine Griechenland hatte eine Existenzkrise ausgelöst. Was passiert erst, wenn eines Tages wirtschaftliche Schwergewichte wie Italien oder Frankreich nicht mehr in der Lage sein sollten, ihre Schulden zu bedienen? Schon in der jüngsten Krise war es zeitweise vorstellbar, dass ein Mitgliedsland die Währungsunion verlassen könnte, obwohl die Kosten des Rettungspakets relativ gering waren im Vergleich zu dem, was aufzubringen wäre, wenn die Schulden eines großen Landes restrukturiert werden müssten. Sobald die Spekulanten erkennen, dass sich das nicht stemmen lässt und mit einer realistischen Aussicht auf Erfolg beginnen, die einzelnen nationalen Märkte gegeneinander auszuspielen, wäre der Euro am Ende – und damit, wie die Kanzlerin zurecht meint, für eine lange Zeit auch das europäische Einigungsprojekt.

Griechenland über Wasser und damit in der Währungsunion zu halten, war daher die richtige Strategie, zumal die geforderten Strukturreformen und das große Investitionsprogramm seine Wirtschaft nachhaltig stabilisieren dürften. Es war eindrucksvoll, was die Griechen an Auflagen seitens der Gläubiger zu akzeptieren bereit waren – nur um den Euro behalten zu dürfen. Die gemeinsame Währung ist offenbar auch für die ärmsten Mitglieder ein hohes Gut und daher widerstandsfähiger als es kleinmütige Skeptiker hierzulande oder angelsächsische Ökonomen wahrhaben wollen (dazu Daniel Gros: „Warum Griechenland keine Euro-Auszeit nahm“). Aber Griechenland war vermutlich nur ein Probelauf – beim nächsten Mal wird es mit dem Stopfen von Löchern nicht getan sein. Weiter„Alternativen zu einem europäischen Finanzminister“

 

Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen

Schon seit langem wünschen sich viele Ökonomen ein Insolvenzregime für Staaten, jüngst etwa der Sachverständigenrat für Wirtschaft (SVR) in einem Sondergutachten oder der Leiter des ZEW, Clemens Fuest, in der ZEIT. Wie für Unternehmen und private Haushalte, so sollte es auch für zahlungsunfähige Staaten ein geordnetes Verfahren zur Reduktion ihrer Schulden geben. Bei dem müssten die Gläubiger ganz oder teilweise auf ihre Forderungen verzichten. Davon versprechen sich SVR und Co., dass Banken und andere Finanzmarktakteure in Zukunft genauer hinschauen, wenn sie einem Staat Geld leihen, und sich von potenziellen Wackelkandidaten ein höheres Ausfallrisiko mit höheren Zinsen vergüten lassen.

Allein die steigenden Kosten der Verschuldung könnten dafür sorgen, dass ein Land erst gar nicht in die Gefahr der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit kommt. Träte dieser Fall trotzdem einmal ein, könnten Gläubiger nicht mehr darauf vertrauen, durch die öffentliche Hand anderer Länder „rausgehauen“ zu werden. Nicht mehr deren Steuerzahler, sondern die Banken und andere Kreditgeber müssten für das eingegangene Risiko haften.

Das alles sind auf den ersten Blick gute und schwerwiegende Argumente. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass die Sache nicht so einfach ist und bei Einführung eines staatlichen Insolvenzregimes im Euroraum mit höchst unerfreulichen Nebenwirkungen zu rechnen ist. Weiter„Eine Insolvenzordnung für Staaten würde den Euroraum instabiler machen“

 

Draghi macht seine Sache gut

Wenn man von allen Seiten Kritik bekommt, liegt man vielleicht gar nicht so falsch, heißt es. Wenn es danach geht, dann macht Mario Draghi vieles richtig. Seine Entscheidung, die Notkredite für Griechenland einzufrieren aber nicht auf null herabzusetzen, wurde von den Hardlinern um die Bundesbank als Konkursverschleppung bezeichnet. Die Griechen und viele amerikanische Ökonomen haben sie dagegen als Erpressung empfunden. Weiter„Draghi macht seine Sache gut“

 

Ist ein Schuldenschnitt illegal?

An dieser Stelle habe ich mehrmals darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung von Kreditlaufzeiten oder eine Stundung der Zinsen, insofern sie den Barwert einer Forderung reduziert, nichts anderes ist als ein Schuldenschnitt durch die Hintertür.

Das sieht man im Finanzministerium offenbar ähnlich, jedenfalls wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass man ein solches Vorgehen rechtlich ebenfalls für – vorsichtig formuliert – problematisch halte, weil es gegen das Nichtbeistandsgebot im EU-Vertrag verstoße.

Nur: Einen solchen verdeckten Schuldenschnitt hat es bereits gegeben. Im Jahr 2012. Und mit ausdrücklicher Zustimmung auch des deutschen Finanzministeriums.  Damals wurden die Zinsen gesenkt und die Laufzeiten gestreckt und der ESM lässt in seinem Jahresbericht (S. 29f.) keinen Zweifel daran, was der Sinn dieser Operation war:

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Die griechische Schuldenlast sollte also reduziert werden, und das ist demnach auch gelungen.

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Die griechische Schuldenlast wurde also in einer Barwertbetrachtung um 49 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Jahres 2013 reduziert.

Die Frage also ist: Warum ist, was damals möglich war, heute nicht mehr möglich? Hat man damals auch schon gegen die Verträge verstoßen, und ist das mit Billigung der Bundesregierung geschehen? Oder geht es in Wahrheit nicht um die Verträge, sondern nur darum, eine Schuldenerleichterung für Griechenland zu verhindern, weil man doch den Grexit will? Oder gibt es einen Punkt, an dem Quantität in Qualität umschlägt und ein heimlicher Schuldenschnitt juristisch in einen offensichtlichen umschlägt?

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