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Neukölln: Mobbing gegen deutsche Schüler

Ein Bericht von der couragierten Journalistiin Güner Y. Balci, selber in Neukölln aufgewachsen, über die Probleme der deutschen Minderheit in Neuköllner Schulen. (Hier online sehen.)

Unmögliche Zustände. Und der unfähige Berliner Integrationsbeauftragte tut nichts. 

Güner Balci ist entsetzt darüber, das Neukölln ihrer Kindheit zusehends in ein Ghetto verwandelt zu sehen, in dem sich die türkischen und arabischen Jungs gegenseitig in ihrer Identität als gefährliche Loser bestätigen und festhalten.

Gut, dass Panorama so etwas sendet, trotz der offensichtlichen Bauchschmerzen der Moderatorin, die anfangs herumeiert, die NPD könnte solche Meldungen über Gewalt gegen Deutsche missbrauchen. 

Man darf sich von Rechtsradikalen nicht diktieren lassen, worüber geredet werden darf. 

Was Güner Balci an Neukölln vermisst, ist das frühere Gemisch in diesem Stadtdteil, der streckenweise nicht mehr multikulturell, sondern monokulturell ist.

 

Ein Wunder an Harlems Schulen

In Harlem ist ein Durchbruch an den schwarzen Grundschulen erzielt worden, wie der konservative Kolumnist der Times, David Brooks, berichtet

Immer wieder habe es riesige staatliche Programme zur Verbesserung der sozialen Lage in den Ghettos gegeben, schreibt Brooks, mit insgesamt schmalem Effekt.

Doch nun haben die Schulen der Harlem’s Children Zone offenbar exzellente Ergebnisse erreichen können.

Der Clou dieser Schulen ist, dass sie sehr auf Umgangsformen, Haltung und Einstellung achten – also Erziehungsaufgaben wahrnehmen, statt nur Wissen zu vermitteln. 

Diese Schulen verstehen sich als „no excuses schools“, in denen schwarze Kinder so behandelt werden wie ganz normale Mittelschichtskinder, an die man hohe Ansprüche stellt.

Basically, the no excuses schools pay meticulous attention to behavior and attitudes. They teach students how to look at the person who is talking, how to shake hands. These schools are academically rigorous and college-focused. Promise Academy students who are performing below grade level spent twice as much time in school as other students in New York City. Students who are performing at grade level spend 50 percent more time in school.

Innerhalb weniger Jahre schaffen diese Schulen es, den Leistungsunterschied zwischen Schwarz und Weiss zu beseitigen. 

Wäre das nicht auch ein Modell für unsere Migrantenviertel?

Mehr hier.

 

Umfrage: Deutsche Muslime trauen dem Rechtsstaat

Ein paar interessante Daten aus einer neuen Gallup-Untersuchung zum Zusammenleben von Muslimen und anderen Gruppen in westlichen Ländern:

Oben stehendes Bild zeigt, dass Muslime in Deutschland sich relativ stark als „integriert“ sehen und relativ geringe Gruppen sich als „isoliert“ beschreiben – erstaunlicher Weise weniger als bei der Restbevölkerung.

An dem zweiten Bild ist überraschend, dass Muslime in Deutschland stärker den Wunsch äußern, in einer gemischten Nachbarschaft zu wohnen, als die übrige Bevölkerung dies tut. Ein Viertel will lieber mit Leuten zusammenwohnen, die nicht ihren religiösen und ethnischen Hintergrund teilen.

Das dritte Bild beschreibt das Vertrauen in die Institutionen der Gesellschaft. Deutsche Muslime trauen dem Rechtsstaat, der Regierung, den Finanzinstituten und den Wahlen bedeutend mehr als die allgemeine Öffentlichkeit.

Nur bei den Medien und beim Militär machen sie Abstriche.

Letzteres ist für unsereinen nicht sehr schmeichelhaft. Aber die restlichen Daten sind eher ermutigend.

Federführend für die Untersuchung ist übrigens Dalia Mogahed, die ich hier bereits vorgestellt habe – unterdessen Obamas muslimische Beraterin.

 

Von der Fatwa zum Dschihad

Es ist hinzuweisen auf das interessante Buch eines Kollegen, den ich hier bereits öfter erwähnt haben: Kenan Malik, britischer Intellektueller mit indischer Herkunft.

Malik hat ein Buch geschrieben über den Weg von der „Fatwa“ (Khomeini vs. Rushdie) zum „Dschihad“. Herausgekommen ist eine fundierte Kritik des Multikulturalismus von links, aus der Warte eines Aufklärers, der die universellen Werte der Aufklärung in der Politik der „communities“ untergehen sieht.

Malik glaubt, dass die Politik des Multikulturalismus eine falsche Antwort auf die Rassenkrawalle der 80er Jahre war. An die Stelle des Individuums als kleinster politischer Einheit wurde die Gruppe gestellt, die durch meist selbst ernannte Führer vertreten wurde. Antirassismuspolitik bestand dann darin, diesen Lautsprechern zu geben, was sie verlangten. Malik erkennt durchaus an, dass es in UK heute weniger Rassismus gebe als in seiner Jugendzeit. Aber der Preis ist die Aushändigung des Politischen an special interests.

Die Rushdie-Affäre war der Durchbruch in diesem Spiel. Fast alle Muslimgruppen im Vereinigten Königreich, die heute noch aktiv sind, sind aus dieser Affäre hervorgegangen.

In einem Rezensionsartikel der Times heisst es über Maliks Darstellung:

Khomeini’s Islamic truth was nonsense on stilts, nothing more than a Shia attempt to wrest power from the Sunnis and the Saudis. It worked. At a stroke, the fatwa provided a new, global identity for any already radicalised young Muslims. Suddenly, to his amazement, Malik saw hitherto secular, left-wing young Muslims turn into Islamic fundamentalists. Khomeini had legitimised their discontent by shifting their gaze from the universal enemy of racism to the specific image of one man and his book.

This happened in spite of the fact that, before the fatwa, most Muslim readers of The Satanic Verses had just shrugged. It was the intensity of the focus on one specific issue and the exploitation of the inanities of identity politics that made the fatwa so effective. Islamist patriarchs have learnt their lesson. The 2006 Danish cartoons portraying Muhammad were used in precisely the same way.

This supports one of the central arguments of Malik’s book: that Islamism is not, as some lazily say, a reversion to a pre-medieval world-view. Would that it were. There was never an Islam like that of Khomeini or Al-Qaeda; these are specifically modern movements. To this should be added the now well-established fact that the vast majority of Muslim terrorists come from the educated middle class, the sort of people who understand and can use modernity.

Such a view is a challenge to boneheads on both the right and the left. Some on the right have argued that Islamic terrorism is, somehow, intrinsic to Islam itself, that the Koran is a warmongering book. But all religion is interpretation and to hold such a view of Islam means rejecting at least 1,500 years of historical evidence to the contrary. On the left, terrorism is seen as a response to western evils, primarily colonialism. But we have been visiting evils on the Muslim world for centuries; we have only had Muslim terrorism for a few decades. The truth is that, as the publicity power of the fatwa and the cartoons made clear, modern terrorism is the creation of modernity. Al-Qaeda is one thing and one thing only: a brand.

Das entspricht meiner Position, die ich hier offenbar nicht immer erfolgreich zu erklären versuche:

– es ist sehr wichtig, dass der Westen sich nicht einschüchtern lässt, wo es um freie Meinung, freie Presse und Religionsfreiheit geht; darum war es richtig, die Karikaturen nachzudrucken, wie es etwa DIE  WELT und DIE ZEIT getan haben; und ich sage das, obwohl ich die Karikaturen nicht für gelungen halte und die dänische Debatte für vergiftet und teils xenophob

– zugleich ist es wichtig, keine kulturkämpferische Anti-Moslem-Politik zu verfolgen und darauf zu achten, dass die politische Sprache nicht von Vorurteilen und Ängsten vergiftet wird – denn sonst ist ein offener Diskurs nicht möglich; die Unterscheidung zwischen Islamismus und Islam ist wichtig und muss immer wieder getroffen werden, ohne dabei insgesamt „den Islam“ zu exkulpieren; auch im Islam per se gibt es wahrlich genug Problematisches; aber der Kampf gegen diejenigen Islamisten (und auch das sind nicht alle), die uns zum Feind erkoren haben und gegen unsere Gesellschaften und Werteordnungen kämpfen, kann nicht gelingen, wenn wir ihn mit dem Islam gleichsetzen

– im übrigen sollte das englisch Beispiel uns eine Warnung sein bei dem Versuch, über Lobbygruppen und Islamvereine das Problem der Integration zu regeln; mag sein, dass wir auf diesem Wege Probleme erst schaffen, statt sie zu lösen; und doch soll man auch mit dem organisierten Islam reden – wenn man ihn nicht fälschlicher Weise für das Ganze hält.

 

Deutschland zwingt den Türken seine Sprache auf?

Ein Leser schreibt (mit Bezug auf diesen Post):

„Herr Lau,

ich habe die türkische Staatsbürgerschaft, ich bin in Deutschland geboren und habe an der Universität Mannheim Betriebswirtschaftslehre studiert. Derzeit promoviere ich an der Universität ODTÜ in Ankara. Ich muss sagen, dass ich über Ihren Artikel sehr enttäuscht bin. Es ist wirklich Schade, dass es in Deutschland immer noch Journalisten gibt, die so subjektiv und vorurteilhaft an ein wichtiges Thema herangehen. Ich fühle ein Hauch von Nationalismus und bin zutiefst erschüttert. Vielleicht sollten Sie sich einen Gedanken darüber machen, was der Unterschied zwischen Einreisebedingung und Aufenthaltsbedingung ist….Ausserdem ist es nur Schade, dass die Deutschkenntnisse aufgezwungen werden. Wäre es Ihres Erachtens nicht für ein Land wie Deutschland passender, wenn man Menschen zu einem Deutschkurs motivieren würde und mehr Unterstützung in diese Richtung stecken würde ??? Es ist nicht zu übersehen, dass viele türkische Bürger in Deutschland sehr wenig deutsch sprehen können, aber es ist auch sichtlich erkennbar, dass bis dato die Politik nie daran interessiert war, die Türken als Bürger anzuerkennen. Sie sollte hier arbeiten und dann wieder gehen, die Rechnung ist aber nicht aufgegangen. Viele Türken sind geblieben und es werden immer mehr, und dieser Kurs ist nichts anderes als ein Mittel um die Einwanderung zu senken. Die Heirat nach Deutschland ist im Jahr 2008 gesunken, weil viele nicht bereit sind, sich eine Sprache aufzwingen zu lassen und die nötigen Finanzen dafür nicht aufbringen lassen können. Ich wäre allerdings auch nicht bereit, die Sprache eines Landes zu lernen, das ich nicht einmal vorher betreten darf.
Zuletzt würde ich Sie gerne etwa fragen. Ist es Ihnen nicht unangenehm, gar peinlich, Kommentaren auf Ihrer Seite Platz zu geben, die nun wirklich an Rassismus grenzen ?“

 

Dazu folgende Anmerkungen: 

Es hat nichts mit Nationalismus zu tun, wenn der deutsche Staat Mindestanforderungen an die Sprachkenntnisse stellt. Es ist ein nicht zu bestreitendes Faktum – und Sie gestehen es ja auch zu -, dass unter Türken in Deutschland sehr wenig Bereitschaft da ist, sich um Sprachkenntnisse zu bemühen. Sprache ist nicht der alleinige Faktor für erfolgreiche Integration, aber sicher ein sehr wichtiger. 

Natürlich geht es auch darum, eine bestimmte Form der Einwanderung zurückzudrängen: das Importieren von Bräuten. Wollen Sie diese Praxis verteidigen? Hat sie der türkischen Gemeinschaft in Deutschland genützt? Eine Schulleiterin in Wedding erzählte mir folgendes: Ihr Lieblingsschüler Erdogan, der es zum Meister mit eigenem Handwerksbetrieb gebracht hatte, stellte ihr seinen Sohn vor. Auch jener sollte auf die Schule gehen, an der der Vater gelernt hatte. Der Junge konnte mit fünf Jahren kaum Deutsch. Die Direktorin fragte ihren Ex-Schüler: Was ist denn hier los, Du warst Doch mein Musterschüler! Und Dein Sohn kann nur radebrechen? Darauf der Angesprochene: Ich möchte Ihnen meine Frau vorstellen. Und er präsentierte eine sehr nette junge Frau, die kein Wort Deutsch konnte.

Die Direktorin sagte mir:  „Und so fangen wir immer wieder von neuem an. Jede Generation ist die erste Generation bei den Türken.“

Darüber sollten Sie sich empören, dagegen sollten Sie etwas tun. Da bahnt sich eine gesellschaftliche Katastrophe an, und Sie haben nicht Besseres zu tun, als beleidigt zu sein. Unfasslich. Deutschland hat Ihnen eine tolle Karriere ermöglicht. Wo ist Ihr Patriotismus? Wo sind Ihre Gefühle für Deutschland?

Sorry für den erregten Ton, aber manchmal reicht’s einfach.

Grüße ins schöne Ankara, Jörg Lau

 

Lernen, mit dem radikalen Islam zu leben

Ich habe heute eine Reihe von Texten gelesen, die mich zum Grübeln bringen. So viele, dass ich nocht lange nicht mit dem Grübeln fertig bin. Doch das Gute an diesem Medium hier ist ja, dass man die Begrübelungsgrundlage verbreitern kann, indem man andere dazu einlädt, an de eigenen unfertigen Gedanken teilzuhaben und mitzudenken.

Erstens stach mir dieser Bericht von Press TV ins Auge, in dem behauptet wird, das State Department betrachte sie russische Zusammenarbeit mit den Iranern am Atomkraftwerk Bushehr als im Rahmen des Nichtverbreitungsregimes erlaubte zivile Aktivität. Es wird der Sprecher des Aussenminsiteriums Robert Wood zitiert (den ich noch aus seiner Zeit als Sprecher der Berliner US-Botschaft kenne): 

Robert Wood said during a Wednesday press briefing that the trial start-up of the Bushehr nuclear plant in southern Iran is in the realm of peaceful use of nuclear energy. 

Und dann wird geschlußfolgert: Wood’s remarks indicated that Washington’s apparent approval was because fuel arrangements for the nuclear facility were made with Russia. 

Was bedeuten würde, dass die russische Kooperation mit Iran positiv gesehen wird, weil sie als Argument dazu herhalten kann, dass die Iraner keine eigene Anreicherung brauchen (ausser für Waffenzwecke, was Iran ja zu verfolgen bestreitet).

Das ist doch eine erstaunliche neue Position zu dem ganzen Iran-Russland-Atom-Komplex!

Zweitens las ich einen leidenschaftlichen Text von Roger Cohen in der Herald Tribune, in dem dieser sich wegen eines Reihe von Reportagen aus Iran gegen die Vorwürfe verteidigt, er habe sich von Regime  einseifen lassen, was seine milde Sicht des Landes beweise.

Unmittelbarer Anlass für diese Selbstverteidigung: Cohens Äusserungen zur Lage der Juden im Iran, die dort nach seiner Schilderung besser leben als in den meisten arabischen Ländern. (Läßt sich wohl kaum bestreiten.)  Nun geht Cohen in die Vollen und wendet sich in seiner neuen Kolumne gegen die Dämonisierung des Iran. Vor allem die dauernden Vergleiche des Iran mit dem Nazi-Staat weist er zurück, und zwar sehr zu Recht:

I was based in Berlin for three years; Germany’s confrontation with the Holocaust inhabited me. Let’s be clear: Iran’s Islamic Republic is no Third Reich redux. Nor is it a totalitarian state.

Munich allowed Hitler’s annexation of the Sudetenland. Iran has not waged an expansionary war in more than two centuries.

Totalitarian regimes require the complete subservience of the individual to the state and tolerate only one party to which all institutions are subordinated. Iran is an un-free society with a keen, intermittently brutal apparatus of repression, but it’s far from meeting these criteria. Significant margins of liberty, even democracy, exist. Anything but mad, the mullahs have proved malleable.

Das ist wichtig, bei aller Kritik an der iranischen Unterdrückung von Regime-Gegnern, Andersgläubigen und Frauen im Sinn zu behalten.

Und drittens beeindruckt mich ein neuer Essay von Fareed Zakaria in Newsweek mit dem Titel „Learning to live with radical Islam“. Zakaria sagt, wir müßten unterscheiden zwischen Islamisten, deren Agenda für die Durchsetzung der Scharia in ihren Gesellschaften wir zwar ablehnen mögen, die unsere Sicherheitsinteressen aber nicht gefährden, und denen, die sich als Teil eines globalen Dschihad gegen den Westen sehen.

In den letzten Jahren haben wir eine Perspektive eingeübt, in der diese Unterscheidung nicht gemacht wurde. Ja, es wurde geradezu zum Dogma, dass es unmöglich sei, zwischen verschiedenen Formen und Graden des Islamismus zu unterscheiden. Am Ende laufe alles aufs Gleiche hinaus.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der radikale Islamismus nicht verschwinden wird und nicht besiegt werden kann, wenn wir alle Islamisten in einen Topf werfen.

Wir müssen neue Prioritäten setzen: Unsere Hauptaufgabe ist es, den Bin-Ladenismus zu besiegen. Und in diesem Kampf sind nicht die moderaten Muslime (oder Ex-Muslime) unsere wichtigsten Verbündeten, sondern diejenigen Radikalen und Fundamentalisten, die sich nicht dem Dschihad gegen uns verschworen haben. 

Der „Surge“ im Irak hat aufgrund solcher Teufelspakte funktioniert, und in Afghanistan wird man ähnliche Koalitionen schmieden müssen, auch hier mit Gruppen, die uns zuwider sind. Es geht darum, die lokalen Militanten von den globalen Dschihadis abzuspalten und sie einzubinden in eine Lösung der Probleme des Landes. Zakaria zitiert David Kilcullen, den ich hier vorgestellt habe: 

„I’ve had tribal leaders and Afghan government officials at the province and district level tell me that 90 percent of the people we call the Taliban are actually tribal fighters or Pashtun nationalists or people pursuing their own agendas. Less than 10 percent are ideologically aligned with the Quetta Shura [Mullah Omar’s leadership group] or Al Qaeda.“ These people are, in his view, „almost certainly reconcilable under some circumstances.“ Kilcullen adds, „That’s very much what we did in Iraq. We negotiated with 90 percent of the people we were fighting.“

Für unsere einheimische Debatte über Islam und Radikalismus hat das auch Folgen: Wir müssen aufhören, auf Kopftücher und Burkinis zu starren, als sei erst dann Hoffnung in Sicht, wenn diese Markierungen religiöser und kultureller Differenz verschwunden sind.

Es wird ganz einfach nicht passieren, ob es einem passt oder nicht. 

Und wir müssen darum auch jede Form der Thematisierung vermeiden, die suggeriert, es gebe ein Kontinuum zwischen Kopftuch und Sprengstoffgürtel. 

Zakaria endet mit diesen Worten, die ich nur unterschreiben kann: 

We can better pursue our values if we recognize the local and cultural context, and appreciate that people want to find their own balance between freedom and order, liberty and license. In the end, time is on our side. Bin Ladenism has already lost ground in almost every Muslim country. Radical Islam will follow the same path. Wherever it is tried—in Afghanistan, in Iraq, in parts of Nigeria and Pakistan—people weary of its charms very quickly. The truth is that all Islamists, violent or not, lack answers to the problems of the modern world. They do not have a world view that can satisfy the aspirations of modern men and women. We do. That’s the most powerful weapon of all.

 

„Israeler super super super gemein“ – Gaza im islamischen Religionsunterricht

In Berlin unterrichtet die „Islamische Föderation“ muslimische Kinder im freiwilligen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen – so wie die Kirchen und die Jüdische Gemeinde.

Die Föderation – eine Briefkastenfirma von Milli Görüs – hat nun Briefe ins Netz gestellt, auf denen Kinder ihre Gefühle und Wünsche zum Gaza-Krieg ausdrücken. Teilweise ist das einfach nur das Übliche, was Kinder so sagen, wenn man sie zu irgendeinem Krieg befragt. Doch teilweise schaut auch eine problematische religiöse Aufladung des Konflikts durch, der man im Religionsunterricht offenbar nicht entgegenwirkt. Die israelischen „Kindermörder“ sind omnipräsent in den Briefen. Wie darf man sich wohl die Unterrichtseinheit vorstellen, die zu dieser Sicht geführt hat?

Zwei Beispiele, mehr hier.

 

(Mehr) Bittere Wahrheiten über die Nichtintegration der Migranten

Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft veröffentlich dieser Tage seinen Integrationsmonitor.  Die Zahlen sind alarmierend (für diejenigen, die noch nicht alarmiert sind, also nicht die regelmässigen Leser dieses Blogs).

Fazit: „Alle 16 Bundesländer weisen einen unzureichenden Integrationsstand in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt und Soziales auf – ob in einem Bundesland relativ viele oder wenige Ausländer leben, spielt dabei keine Rolle für den Grad der Eingliederung.“

Es gibt einen erheblichen Unterschied beim Zugang zu Bildung in Deutschland. „Migrantenkinder haben beim Lesen einen  Wissensrückstand von bis zu zwei Schuljahren, ausländische Jugendliche brechen mehr als doppelt so häufig die Schule ab und machen seltener das Abitur als ihre deutschen Mitschüler; außerdem ergattern sie deutlich seltener einen Ausbildungsplatz und fangen auch nicht so oft ein Hochschulstudium an wie Schulabgänger mit deutschem Pass.“

Zwei interessante Fakten aus der Vorabinformation zu der Studie:

Berlin liegt weit abgeschlagen bei 20,3 Punkten, was die Integration der Ausländer in das Bildungssystem angeht. Bayern erzielt doppelt so hohe Punktzahlen, NRW dreimal so hohe. Das ist ein Alptraum, wenn man an die schiere Zahl der Betroffenen in der Hauptstadt denkt.*

Was die Berufschancen ausländischer Akademiker angeht, sieht es düster aus: Deutsche Hochschulabgänger haben bis zu dreimal höhere Chancen auf einen Job als als Hochqualifizierte mit einem ausländischen Pass. Warum? Reden wir nicht seit Jahren davon, dass wir als Exporteur und globalisierte Wirtschaft unbedingt Hochqualifizierte aus aller Welt brauchen?  Und dann stellen wir doch lieber Kerndeutsche ein? Übrigens: Nur in Hessen und Baden-Württemberg gibt es annähernd Chancengleichheit für nichtdeutsche Akademiker.

 

Grafik: IW Köln

* Zahlen aus Berlin: Laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg leben in Berlin 470.000 registrierte Ausländer plus 393.000 Deutsche mit Migrationshintergrund. 

 
Von den 3.405.300 Einwohnern Berlins hätten somit 863.500 einen Migrationshintergrund.

 

Kilcullen über Afghanistan (und Pakistan)

David Kilcullen ist der intellektuelle Kopf hinter der „Surge“-Strategie im Irak. Der australische Offizier und Antiterror-Spezialist, der die „Counterinsurgency“-Planung (Bekämpfung von Aufständen) modernisiert hat, wird nun auch zum Fall Afghanistan gerne angehört. kürzlich hat er vor dem Auswärtigen Ausschuss des Senats ein Statement abgegeben, das nun vom „Small Wars Journal“ publiziert wurde. Hier die wichtigste Passage:

Afghanistan is on the brink of failure. Violence is up 40% on last year and 543% on 2005. Large parts of the country, perhaps 70% of Afghan territory, are no-go areas for security forces and government officials. Narcotics production has coalesced into enormous tracts of poppy in Taliban-controlled areas, heroin production has spiked, government legitimacy is collapsing, food and water are critically short, the insurgency is spreading and intensifying, and the Afghan Presidential elections – scheduled for 23rd August, at the end of what promises to be a fighting season of unprecedented intensity – will bring everything to a head.

Kilcullen im Irak

Whatever our long-term strategy, if we don’t now stabilize the situation, stop the rot and regain the initiative, there will be no long-term. Once the situation is stabilized there will be time for the new administration to work through its strategic choices in concert with allies and the Afghan government. If we fail to stabilize Afghanistan this year, there will be no future.

To stabilize Afghanistan, we need a surge of political effort, we need a surge of civilian expertise and financial resources, and we need to re-focus the military and police on a single critical task: protecting the population ahead of the elections. The strategic aim for 2009 should be to deliver an election result that restores the government’s legitimacy, and with it the credibility of the international effort. Which candidate gets elected matters less than ensuring the outcome meets international standards for transparency and fairness. This is a huge task. To do it we need to stop chasing the Taliban around, and focus instead on protecting Afghans where they live, partnering with the Afghan people in a close and genuine way that gives them a well-founded feeling of security, and ensuring fair elections that restore hope for a better future.

This is the critical task for 2009.

Hier ein Interview mit Kilcullen über Irak aus dem Winter 2007.

 

Wie erkenne ich einen islamistischen Extremisten?

In England ist ein neuer Kriterienkatalog in Vorbereitung, der es ermöglichen soll zu bestimmen, was ein „islamistischer Extremist“ ist. 

Der Name des durchgesickerten Dokuments ist „Contest 2“.

Extremisten, heisst es darin

– propagieren ein Kalifat, einen pan-islamischen Staat, der viele Länder umfassen solle,

– sie vertreten das Schariarecht,

– sie glauben an die Berechtigung des Dschihad, oder bewaffneten Widerstands, überall auf der Welt, inklusive des bewaffneten Widerstands gegen das israelische Militär,

– sie behaupten, dass der Islam die Homosexualität verbiete, weil sie eine Sünde gegen Gott darstelle,

– sie verurteilen nicht die Tötung britischer Soldaten in Irak oder Afghanistan.

Das ist ein problematischer Katalog. Das Scharia-Recht wird vom britischen Staat als zivilrechtliche Schlichtungsinstanz geduldet, ebenso wie das religiöse Recht der Juden in den Beth-Din-Instanzen.

Will man von Muslimen etwa die Ablehung jeglichen bewaffneten Widerstands in jedem Fall verlangen? Das wäre eine bizarre Forderung in einem Land, das selber in Anspruch nimmt, in Irak und Afghanistan sein Recht auf Selbstverteidigung gegen die Dschihadis wahrzunehmen. Kriterium sollte die aktive Unterstützung einer Terrororganisation sein, nicht die absolute Absage an „bewaffnetem Widerstand“ in jedem Fall.

Die Ablehung der Homosexualität empfinde ich persönlich als falsch und abstoßend und gegen Gottes Liebesgebot gerichtet. Aber ich möchte nicht in einem Staat leben, der religiösen Minderheiten (gleich welcher Couleur) vorschreibt, wie liberal sie zu sein haben. Bizarr.

Und auch die Verurteilung der Tötung britischer Soldaten in Irak und Afghanistan kann man nicht verlangen. Die Meinung, es sei Afghanen erlaubt, sich gegen eine Besatzungsmacht zu wehren, ist nicht zu zensieren, sondern zu widerlegen: Indem man auf das Mandat hinweist, unter dem die internationelen Truppen agieren – und indem man darauf achtet, dass die Vorgehensweise der Truppen dort ihren Auftrag nicht delegitimiert.

Grossbritannien macht beängstignde Schritte in die Unfreiheit: Erst Wilders nicht einreisen lassen, jetzt die politische Debatte unter Muslimen durch einen Islamistenkodex regulieren – das sind alles keine zielführenden Massnahmen.

Gegen die Terroristen und ihre Unterstützer brauchen unsere Gesellschaften auch die konservativen Muslime auf unserer Seite – also auch Vertreter des Schariarechts und solche, die Homosexualität ablehnen.

Es wäre falsch und kontraproduktiv zu suggerieren, dass es hier ein Kontinuum zum internationalen Terrorismus gebe. Man kann illiberale Ansichten zur Homosexualität haben und das Schariarecht befürworten und dennoch Terrorismus ablehnen.