Das Neonazisammelbecken Pro Chemnitz sammelt Spenden – auch über den Onlinebezahldienst PayPal. Eine Initiative will den Geldfluss stoppen.
Von Tom Sundermann
Auf Facebook hantiert die selbst ernannte Bürgerinitiative Pro Chemnitz mit den ganz großen Zitaten: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird der Widerstand zur Pflicht!“, heißt es dort in einem empörten Beitrag über eine Hausdurchsuchung bei einem Mitglied. Direkt darauf folgt ein Spendenaufruf. Wer die Initiative unterstützen will, kann auf ein Konto überweisen oder – noch bequemer – den Onlinebezahldienst PayPal nutzen.
In Köln haben Hunderte Menschen an den Bombenanschlag des NSU erinnert, kurz zuvor sind Flugblätter der rechtsextremen Gruppe Atomwaffendivision Deutschland aufgetaucht. Nicht zum ersten Mal.
Von Martín Steinhagen
Um 15.56 Uhr wird es still auf der Kölner Keupstraße. Vor 15 Jahren detonierte um diese Zeit dort eine mit Nägeln gespickte Bombe, gelegt von den Mitgliedern der rechtsextremen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU), und verletzte 22 Opfer, vier davon schwer. Am Sonntag sind einige Hundert Menschen zusammengekommen, um gemeinsam daran zu erinnern. Die Keupstraße ist für den Verkehr gesperrt, an langen Tafeln aus Bierbänken sitzen die Menschen mitten auf der Straße zusammen, es werden Reden gehalten, Musiker spielen.
Auf der Keupstraße geht es an diesem Tag aber nicht nur um die Vergangenheit, um die Narben, die der rassistische Anschlag und auch der Umgang der Behörden damit hier hinterlassen haben. Es geht auch um die Zukunft des Erinnerns, um ein Mahnmal, das sich hier viele wünschen, für das die Stadt aber noch immer keinen Platz gefunden hat. Und es wird über Neonaziflugblätter geredet, die einige Tage zuvor aufgetaucht sind. Ausgerechnet hier in Köln-Mülheim, nicht weit von der Keupstraße entfernt.
In Chemnitz wollten Neonazis mit dem Tag der deutschen Zukunft an flüchtlingsfeindliche Aufzüge des vergangenen Jahres anknüpfen. Doch das Neonazievent blieb schwach besucht. Das Milieu ist zerstritten.
Von Hardy Krüger
Für die NPD-Jugend (JN) muss der Samstag in Chemnitz frustrierend gewesen sein. Unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ hatten die Neonazis dort ein „Signal gegen Überfremdung“ setzen wollen und zu einer Demonstration aufgerufen. Doch im Gegensatz zu den Protesten im vergangenen Jahr, wo sich zwischenzeitlich Flüchtlingsgegner aus bürgerlichen Schichten mit rechtsradikalen Hooligans und Rechtsextremisten gemischt hatten, blieben diesmal etwa 270 Neonazis weitgehend unter sich. Jedenfalls bei ihrer eigenen Demonstration. Zu einer Gegendemonstration kamen rund 1.300 Menschen.
In Halle kandidieren Rechtsextreme trotz Abgrenzungsbeschluss für die AfD: eine Identitären-Aktivistin und ein Organisator der rassistischen Montagsdemonstrationen.
An der Frankfurter Universität sind Flyer einer besonders radikalen Neonazigruppe aus den USA aufgetaucht. Ist die Atomwaffen Division auch in Deutschland aktiv?Weiter„Terrorpropaganda in der Uni-Bibliothek“
Am Sonnabend sollten nach dem Willen der NPD 800 Neonazis ins thüringische Eichsfeld kommen. Es kamen 130. Die Stimmung war mies – nicht zuletzt wegen Alkoholverbots, technischer Probleme und mehrerer Anzeigen.
Der „Eichsfeldtag“ der NPD in Leinefelde wird von Jahr zu Jahr kleiner und unbedeutender. Waren es 2017 noch rund 500 Gäste, kamen in diesem Jahr zum Abschluss des NPD-Europawahlkampfs nur noch 130 Neonazis auf die umzäunte Wiese in Nordthüringen. Selbst 2011, im ersten Jahr des Events, waren es mehr gewesen als in diesem Jahr. Es mag auch daran liegen, dass die Veranstaltungen sich dabei von Jahr zu Jahr gleichen. Weiter„NPD verliert Rückhalt in der Szene“
Neonazis nutzen den 1. Mai für Demonstrationen mit ausländerfeindlicher Hetze. In Plauen marschierte der Dritte Weg, in Duisburg Die Rechte. Besonders beliebt: Parolen aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Von Hardy Krüger und Jennifer Marken
Beobachter der rechtsextremen Szene kennen die Kleinpartei Der Dritte Weg als Sammelbecken für Neonazis. Doch im sächsischen Plauen wollten deren Anhänger bei einer Demonstration zum 1. Mai ihr liebstes Selbstbild vermitteln: als warmherzige Kümmerer. Aktivisten hatten Stände aufgebaut, an denen sie gespendete Kleidung verschenkten. Doch von der gewünschten Zielgruppe – deutschen Bedürftigen – kamen weniger als erwartet.
Am Tag der Arbeit tarnt die AfD Polemik gegen Einwanderer als Sozialpolitik. Doch eine Machtdemonstration ist die Maikundgebung mit Björn Höcke nicht.
Von Martín Steinhagen
„Höcke, Höcke“, rufen seine Anhänger in Erfurt dem Thüringer AfD-Vorsitzenden zur Begrüßung entgegen. Der 1. Mai hätte ein Heimspiel werden können für Björn Höcke und seine Getreuen. In der Landeshauptstadt entstand 2015 die „Erfurter Resolution“ der völkisch-nationalistischen AfD-Strömung namens Flügel. Die Partei ging hier zeitweise wöchentlich auf die Straße. Aber an diesem Mittwoch kommen weniger Menschen als erwartet: Mit 2.000 Teilnehmern hatte die Polizei am Vortag noch gerechnet, etwa 800 zählt sie später. Eine Machtdemonstration ist die Maikundgebung mit dem Motto „Blauer Frühling“ jedenfalls nicht.
Das in Deutschland verbotene Neonazi-Netzwerk Blood and Honour tritt selbstbewusst im Ausland auf. Kontrollen müssen die Rechtsextremen kaum fürchten. Das macht sie mächtiger.
Von Henrik Merker und Jonas Miller
Am Osterwochenende war eine Kleinstadt im Norden Italiens unter der Kontrolle von Neofaschisten. Mehr als 1.500 Rechtsextreme aus ganz Europa pilgerten in das Örtchen Cerea, um bei einem Konzert zum Geburtstag Adolf Hitlers dabei zu sein. Weder Polizei noch Politik oder lokale Medien schienen sich um das braune Treiben zu scheren. Für das Musikfestival durften die Veranstalter sogar eine kommunale Messehalle nutzen.
Völlig ungestört veranstaltete eine Skinhead-Gruppe in Italien ein Konzert für europäische Neonazis. Wer ist die Organisation, die Rechtsextreme des ganzen Kontinents vernetzt?
Ein Interview von Henrik Merker und Jonas Miller
Am Osterwochenende haben Hunderte Neonazis aus ganz Europa ungestört den Geburtstag Adolf Hitlers in Norditalien gefeiert – unter ihnen auch Deutsche. Organisiert wurde die Veranstaltung von der rechtsextremen Gruppe Veneto Fronte Skinheads (VFS). Praktisch unbehelligt von der Polizei kann die Organisation in Italien Konzerte abhalten und Bande zu Rechtsextremen auf dem ganzen Kontinent knüpfen – weil der Staat Schwäche gegenüber den Faschisten zeigt, sagt Saverio Ferrari. Er ist Gründer der Beobachtungsstelle für Neue Rechte in Mailand.