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Feuer unter kalten Füßen

Der Gitarrist Grant Green servierte dem Publikum des „Club Mozambique“ im Januar 1971 perlende Soli auf brodelndem Fundament. Dazu röhrten schrill und heiser die Saxofone – James Brown ließ grüßen

Grant Green Laive At The Mozambique

Grant Green wird häufig vergessen, wenn es darum geht, die Gitarren-Genies der Jazzgeschichte zu benennen. Anfang der sechziger Jahre war er der lässige König der E-Gitarre, beim Jazzlabel Blue Note gehörte er in dieser Zeit zu den Musikern mit den meisten Einspielungen. Er erfand das moderne Gitarrenswingtrio neu. Im Jahr 1979 starb er in New York mit nur 43 Jahren hinter dem Steuer seines Wagens an einem Herzinfarkt. Viele Aufnahmen sind bis heute unveröffentlicht.

Mit Live At Club Mozambique macht Blue Note nun eine dieser Aufnahmen zugänglich. Sie stammt von Anfang des Jahres 1971. Die acht Stücke wurden bei zwei Auftritten im Detroiter Flachdachschuppen Club Mozambique mitgeschnitten. Da die originalen Mehrspurbänder nicht überlebt haben, wurde die CD von einem damals entstandenen Mono-Mix produziert. Ein Wehmutstropfen, der leicht zu verschmerzen ist, denn der Zauber, den Green und Band damals entfachten, blieb erhalten.

Green hatte seine ganz große Zeit damals schon hinter sich. Im Jahr 1966 hatte er sich für einige Zeit von Blue Note getrennt, wegen seiner Drogenabhängigkeit war er zwei Jahre lang musikalisch inaktiv. Bestimmte der gelassene Klang des eleganten Gitarristen die frühen Sechziger, so wurde er nun von anderen in den Schatten gestellt, Wes Montgomery und später George Benson waren die neuen Innovatoren. Greens Comeback im Jahr 1969 blieb weitgehend unbeachtet.

Zu Unrecht. Während seiner Pause hatte er sich einiges bei James Brown und dem Motown-Soul abgehört. Ende des Jahres 1969 gründete er in der Industriestadt Detroit eine neue Gruppe und servierte dem Publikum seine kühl perlenden Gitarrensoli fortan auf einem funkig brodelnden Fundament.

Die beiden Heimspiel-Abende im Club Mozambique zeugen davon, wie tanzbar der Gitarrist Jazz mit den damals angesagten Rhythmen und Klängen verlötete. Heiser und schrill röhren und quietschen die Saxofone (Clarence Thomas und, als Gast, Houston Person), während die Orgel von Ronnie Foster scharf die Akkorde setzt und die Stücke vorantreibt. Den besonderen Dreh erhalten die Aufnahmen durch den irrwitzigen Schlagzeuger Idris Muhammad, auf unnachahmliche Art lässt er die Hi-Hat scheppern und unterlegt den Auftritt mit rhythmischem Feuer.

Derart angeheizt wird am frostigen Januarabend selbst aus der Burt-Bacharach-Schnulze Walk On By eine mitreißende Tanznummer. Live At Club Mozambique führt vor, wie heiß auch zeitgenössischer Jazz klingen könnte. Und gegen kalte Füße wirkt die Platte sowieso.

„Live At Club Mozambique“ von Grant Green ist erschienen bei Blue Note/EMI

Hören Sie hier „Walk On By“

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Holt die 3D-Brillen raus!

Es lohnt sich, wegzuschauen: Die DVD „Festival 2005“ ist ein Zusammenschnitt der Festival-Auftritte von The Cure im vorvergangenen Sommer. Was sich ausgesprochen gut anhört, sieht leider fürchterlich aus.

The Cure Festival 2005

Sicher zwanzig Mal haben sich The Cure aufgelöst. Um sich bisher jedes Mal ein, zwei Jahre drauf reumütig wieder zu vereinen. Mal in gleicher Besetzung, mal mit neuen Musikern. In der langen Geschichte der Band seit ihrer ersten Single Killing An Arab im Jahr 1978 ist Sänger Robert Smith die einzige Konstante. Es heißt, er sei unausstehlich und regiere die Geschicke der Band alleine, immer wieder schieden Musiker im Streit aus.

Zum letzten Mal hatte Smith The Cure nach dem Album Bloodflowers im Jahr 2000 für aufgelöst erklärt. Geglaubt hat ihm das natürlich fast niemand. Wenig verwunderlich, dass vier Jahre nach dem vermeintlichen Ende wieder ein Album erschien, es trug den simplen Titel The Cure. Da rumpelte und dröhnte es mehr als je zuvor, von den leichten Melodien zum Mitsummen, wie man sie aus den Achtzigern kannte, hatten sie sich weit entfernt.

Ähnlich oft wie die Auflösung seiner Band gab Smith in den letzten Jahren bekannt, nicht mehr live aufzutreten. Es war also keine wirkliche Überraschung, dass The Cure in wiederum veränderter Besetzung – minus zwei, plus eins – im Jahr 2005 durch die Welt tourten und Konzerte gaben. Konzerte, von denen alle Beteiligten – Musiker wie Besucher – offenbar so begeistert waren, dass das ganze nun, beinahe anderthalb Jahre danach, auf DVD verwurstet wird.

Festival 2005 ist ein Zusammenschnitt von mehr als zweieinhalb Stunden Material von den neun großen Festival-Auftritten der Band im vorvergangenen Sommer. Die Auswahl der Stücke ist fantastisch, aus allen Teilen der bewegten Karriere ist etwas dabei. Sie schmiegen sich aneinander, Alt.End vom letzten Album passt perfekt zwischen Fascination Street von 1989 und The Blood von 1985, es grummelt und drängt. Die zwanzig Jahre zwischen Shake Dog Shake und Us Or Them sind auf der Bühne beinahe nicht zu hören. Kraftvoll, dynamisch und hymnisch geht es zu, alles stimmt. Nun ja, fast alles:

Was sich nämlich ausgesprochen gut anhört, sieht leider schrecklich aus. User generated content nennt man so etwas wohl heutzutage: Die Bilder wurden aufgenommen von Fans und Mitarbeitern, die man mit DV-Kameras ausstattete. Manchmal wird gewackelt und gezoomt, was das Zeug hält, dann wieder sieht man minutenlang das Bild einer statischen Kamera, die Musiker in gehöriger Entfernung, dafür viele Hinterköpfe zwischen hier und dort. Die einzigen wirklich bewegten Bilder stammen von den langarmigen Kameras, die unnatürliche Flüge für die Videoleinwände neben der Bühne aufnehmen – in glatter MTV-Ästhetik. Die Farben sind mal ausgewaschen, mal hyperrealistisch, mal fehlen die Kontraste beinahe ganz, mal ist nichts mehr zu erkennen vor lauter Kontrast. Und meist passiert das alles in einem Stück.

Die Qualität ist gruselig, künstlerisch wie technisch. Zu allem Überfluss wurden einige der Stücke (nachträglich?) mit Effekten belegt, die schon zu Tagen von Beat-Club und Formel Eins für Netzhautablösung sorgten. Bei The Drowning Man vibriert das Bild im Rhythmus der Basstrommel, Signal To Noise nervt mit Doppelbild- und Reliefeffekten. Das wunderbare Schlussstück Faith ist theatralisch in Schwarzweiß gehalten und von Solarisationen durchzogen, A Strange Day versaut dieser 3D-Effekt aus den Achtzigern. Uargh.

Man hätte was draus machen können, sicher. Die Gemäuer des Teatro Greco im sizilianischen Taormina oder die Berliner Wuhlheide sind alleine schon stimmungsvoll genug. Ohne die vielen Effekte und übermäßige Experimentierfreude wären dort sicher feine Filmchen entstanden. 1988 dokumentierte der Kinofilm The Cure In Orange einen Auftritt der Band im beinahe 2000 Jahre alten Théâtre Romain der provencalischen Stadt Orange. Ganz ohne fangenerierte Inhalte und ambitionierte Amateurfilmerei. Wundervoll war das. Festival 2005 sollte man auf die altbewährte Art genießen: Augen zu und durch!

„Festival 2005“ von The Cure ist als DVD erschienen bei Geffen/Universal

Sehen Sie hier „Never Enough“

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Nichts ist gut

Über die Jahre (19): Mit den Spaßvögeln der Neuen Deutschen Welle hatten DAF nichts zu tun. Sie provozierten Anfang der Achtziger mit rebellischen deutschen Texten und ihrem Faible für Schweiß, Erotik und Maschinen

DAF Alles ist gut

Stakkatohafter Sprechgesang, düstere Zeilen im Kommandoton vorgetragen: „Sei still. Schließe deine Augen. Denn alles ist gut.“ Im Anti-Einschlaflied Alles ist gut ahnen wir schon: Nichts ist gut.

Mit der Single Der Mussolini gelang der Gruppe Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) im Jahr 1981 der Durchbruch. Wie ein Tanzlehrer fordert der Sänger Gabi Delgado dazu auf, den Mussolini, den Adolf Hitler, den Jesus Christus und den Kommunismus zu tanzen, sich dabei nach rechts und nach links zu drehen, in die Hände zu klatschen und die Hüften zu bewegen. Sie wollten die Bösen sein, sie provozierten.

Kaum zwei Jahre zuvor hatten DAF ihren ersten Auftritt in Düsseldorf gehabt, da waren sie noch zu fünft. Nach und nach entledigten sich Robert Görl und Gabi Delgado der Kollegen. In Jürgen Teipels Dokumentation Verschwende Deine Jugend sagt Robert Görl: „Wir wollten viel lieber mit Maschinen arbeiten.“ Als 1981 ihr drittes Album Alles ist gut erschien, waren DAF nur noch zu zweit und mit dem Mussolini berühmt geworden.

Gabi Delgado war mit acht Jahren als Gastarbeiterkind nach Deutschland gekommen, im Interview mit Teipel erklärt er: „Mich hat der Umgang mit der deutschen Sprache fasziniert. Deshalb wollte ich unbedingt aggressive Musik mit deutschen Texten machen. Ich dachte: ‚Das passt so gut mit der deutschen Sprache!‘ Wir haben uns bald mehr für Dadaismus interessiert als für Punk. Und haben seltsame Analogien entdeckt. Vor allem in den ganzen Manifesten. Dieses revolutionäre Element: ‚Wir machen jetzt wirklich was anderes und sprengen damit die Gesellschaft. Oder schockieren die zumindest.’“

DAF machten trotzige Lieder ewig rebellierender Adoleszenter und waren die Meister der Monotonie und des tanzbaren Minimalismus. Endlos reihten sie Tonschleifen aneinander, kombinierten analoge Schlagzeugklänge mit harter Elektronik und sonderbaren deutschen Texten. In ihrem militärischen Auftreten verbanden sie Erotik, Maschinen und faschistische Ästhetik. Sie waren eine zweifelhafte Avantgarde, in ihren Fußstapfen folgten ganze Generationen von Electronic-Body-Music– und Techno-Formationen.

Ein Jahr nach Erscheinen von Alles ist gut lösten sich DAF auf. Rund 20 Jahre später konnte man sie wiedersehen, zum Beispiel auf einem Gothic-Festival in Leipzig: Mit neuen und alten Liedern in einer großen Halle mit schlechtem Sound. Gabi Delgado brüllte den ganzen Auftritt lang, von der erotischen Stimme auf den Schallplatten und Kassetten war kaum etwas übrig geblieben. Manchmal ist es besser, wenn Helden ihren Mythos nicht entzaubern. Denn wer Lieder geschrieben hat, die Verehrt Euren Haarschnitt oder Verschwende Deine Jugend heißen, muss ein Held bleiben.

„Alles ist gut“ von DAF ist 1981 erschienen und erhältlich über EMI

Hören Sie hier einen Ausschnitt aus „Der Mussolini“

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(17) ABC: „The Lexicon Of Love“ (1982)
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(13) Nico: „Chelsea Girl“ (1968)
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(9) Depeche Mode: „Violator“ (1990)
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(7) Tim Hardin: „1“ (1966)
(6) Cpt. Kirk &.: „Reformhölle“ (1992)
(5) Chico Buarque: „Construção“ (1971)
(4) The Mothers of Invention: „Absolutely Free“ (1967)
(3) Soweto Kinch: „Conversations With The Unseen“ (2003)
(2) Syd Barrett: „The Madcap Laughs“ (1970)
(1) Fehlfarben: „Monarchie und Alltag“ (1980)

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Mut zum Ekel

„Völkerball“ ist eine Reise in die phallisch-morbiden Abgründe des männlichen Daseins. Wie üblich hämmern sich Rammstein auf der Live-DVD augenzwinkernd durch ein stumpfsinniges Gewitter aus Licht und Feuer

Rammstein Voelkerball

Wenn Sänger Till Lindemann auf die Bühne tritt, dann beginnt ein Schauspiel. In volkstümlichen Lederhosen marschiert er auf und ab, die Kampfstiefel kniehoch geschnürt. Sein Gesicht ist schmierig grau, seine Lippen und Augen schwarz geschminkt. Dann spuckt er ein paar Zähne aus und fängt zu singen an. Die Gesten sind groß, die Mimik überzeichnet – wie in alten Stummfilmen. Er spielt den Irren, den Roboter, den Soldaten. Reißt die Augen und den Mund auf, ohrfeigt sich selbst oder schmiegt sich Trost suchend an die schmale Schulter des Keyboarders.

Auf der DVD Völkerball mit Aufnahmen aus Nîmes, London, Tokio und Moskau kann man sehen, wie Rammstein Menschenmassen bewegen: Mit Schweiß, Feuer, Blut, einem Metallgewitter aus Licht und Pyroshow und deutschem Gesang mit rollendem R. Ihre Lieder sind brachial, die Melodien simpel, die Texte behandeln oft Tabuthemen. Ihre bombastische Selbstinszenierung lebt von Morbidität, martialischer Männlichkeit, Pathos und Elementen der faschistischen Gewaltästhetik. Die einprägsame Plattheit ist das Geheimnis ihres Erfolges.

Schon das slowenische Künstlerprojekt Laibach rollte in den frühen achtziger Jahren das R düster. Die Krupps aus Düsseldorf und später Oomph! aus Wolfsburg verbanden harte Düsternis mit metallastigen Gitarren, elektronischen Klängen und provokanten deutschen Texten. Rammstein machten aus diesen Nischenphänomen der Gothic-Szene massenkompatible Popkultur. 1995 waren sie Vorgruppe von Projekt Pitchfork, kurze Zeit später nahm der Regisseur David Lynch zwei Stücke von ihnen als Filmmusik zu Lost Highway. International wurden sie erfolgreich, weil sie so „deutsch“ sind.

Ein Rammstein-Album zu hören, verschafft Unbehagen. Schuld daran sind eher die grässlichen Texte als die Musik. Rammsteins Augenzwinkern kann nur funktionieren, wenn man sie sieht. Die persiflierenden Nuancen ihres teutonischen Auftretens gehen unter, wenn man sie nur hört. Männerhorden, die das Lied Rein, Raus singen und den gebrochenen martialischen Männerkult von Rammstein nicht spiegeln, sind unerträglich. Überhaupt sind es die Massen der Fans, die bei Rammstein das Beängstigende ausmachen. Sie singen alle Texte mit, sind verzückt, rasen, tanzen. Wenn die Menschen in der Arena von Nîmes zu dem Marschlied Links 2 3 4 und Ich will gleichzeitig den rechten Arm zum „bösen“ Metaller-Gruß heben (der Zeigefinger und kleine Finger bilden die Teufelshörner), muss das dem halbwegs abgeklärten Betrachter eine Gänsehaut verschaffen. Wer hätte gedacht, dass Franzosen, Engländer, Japaner, Russen so gut deutsche Lieder singen können?

Langweilig wird einem beim Zusehen nicht, rund 100 Leute arbeiten daran, dass bei Rammstein-Konzerten Stroboskop, Pyrotechnik und Lichtshow zeitlich perfekt auf die Musikstücke abgestimmt den Auftritt zu einem Spektakel machen. Je mehr Feuer verpulvert wird, desto mehr sieht man von den durchtrainierten schweißigen Oberköpern der sechs Herren: Till Lindemann als Hauptdarsteller, Richard Z. Kruspe und Paul Landers an den Gitarren, Oliver Riedel am Bass und Christoph Schneider am Schlagzeug sind die Harten, Keyboarder Christian Lorenz spielt als schlaksiger Komiker mit Brille und Sturzhelm den Gegenpol. Mal macht er einen stokeligen Schuhplattler, mal muss er im dampfenden Riesen-Kochtopf sitzen und von da aus das Keyboard bedienen, bis ihn der Sänger in blutverschmutzter Schürze und Kochmütze mit einem Messer und einem Flammenwerfer aus dem Topf jagt. Mein Teil heißt das Stück und besingt kannibalistische Geschmacksverirrungen. Mut zum Ekel: Lindemann läuft das Blut aus dem Mund, während er den brennenden Keyboarder verfolgt. Frauen kommen bei Rammstein lediglich als Engelschor zum Einsatz oder dürfen als spärlich bekleidete Tänzerinnen zu Moscow Special vor 7000 russischen Fans ihre Hüften wiegen und singen.

Ob die sechs Musiker wissen, was sie da tun, bleibt unklar. Es sind vermutlich Kumpels, die einfach machen wollten, was ihnen Spaß macht, und festgestellt haben, dass man damit viel Geld verdienen kann. In der Dokumentation Anakonda im Netz von Mathilde Bonnefoy sagt der Gitarrist Kruspe: „Das sind so viele Spielereien, die man macht, weil man denkt, dass sie gut aussehen oder dass man irgendwie cool ist. Wahrscheinlich ist das völlig lächerlich.“ Und Till Lindemann: „Ich mag das nicht, wenn ich angeguckt werde, ich vermeide das. Ich suche mir so’n Punkt hinten, meistens den Mann vom Mischpult.“

„Völkerball“ von Rammstein besteht aus CD und DVD und ist in drei Versionen erhältlich bei Universal

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Der nächste Tonträger erscheint am 3. Januar 2007

 

Elegant entwendet

Die vier Musiker von Milburn sind noch jung, trotzdem klingt „Well Well Well“, als hätten sie jede Rockplatte der letzten 30 Jahre gehört. Hier leihen sie eine Melodie, dort klauen sie einen Rhythmus

Milburn - Well Well Well

Ganz einfach ist es nicht mehr, poppige Rockmusik mit Siebziger-Anleihen zu machen und dabei originell zu klingen. Auch Milburn machen nichts wirklich Neues. Aus ihren Stücken klingen abwechselnd Franz Ferdinand durch und die Strokes, Razorlight und Maximo Park. Und die Arctic Monkeys natürlich auch, denn die klangen ja selbst schon wie eine Mischung ihrer Vorgänger.

Aber Milburn machen das gut, sie kombinieren die Einflüsse unterhaltsam und schreiben feine Lieder. Das Meiste ist ziemlich elegant geklaut. Oder geliehen. Die Gitarren sind ruppig und meistens – Franz Ferdinand hatten das wieder kultiviert – Stereo aufgenommen. Im Kopfhörer kommt von jeder Seite eine andere Gitarrenmelodie, ein sehr schöner Effekt. Die Melodien sind mal abgeklärt wie bei den Strokes, mal euphorisch punkig. Die Rhythmen erinnern hier an The Clash – die Saiten auf die Zwei im Takt nur kurz angerissen – dort an das gelassene Spiel von Maximo Park.

Joe und Louis Carnall, Tom Rowley und Joe Green sind Milburn, die Vergleiche kümmern sie wenig. „Nur eine Frage ist uns wichtig: Ist es ein guter Song?“, sagt Sänger Joe Carnall. Eine Frage, die sich beim Durchhören ihres ersten Albums Well Well Well beinahe durchgängig mit Ja beantworten lässt. Die vier Musiker sind zwischen 18 und 20 Jahren alt und spielen seit fünf Jahren zusammen, sie kommen aus Sheffield. Ja, genau wie die Arctic Monkeys, mit denen sind sie auch befreundet, heißt es. Da droben im Norden spricht man ein drolliges Englisch. Something klingt wie summfinn, wrong wie rrrung, rough wie rrruff. Das U wird auch wie ein U ausgesprochen, und sie singen much von guns, fucking und fuss.

Aber was hat man mit kaum 20 zu erzählen? Milburn zumindest nicht zu viel von dem üblichen Liebes- und Herzschmerz-Tralala. Sondern zum Beispiel die belehrende Geschichte eines gestohlenen Mobiltelefons in What About Next Time?: „I try to say you’re doing wrong but you chose to ignore me.“ Was, wenn nächstes Mal etwas Schlimmes passiert? Ihre Beziehungsgeschichten stecken voller Sarkasmus, „Things get broken, things come clear / If you wanted to leave so much then why are you still here?“ (Cheshire Cat Smile). Hier und da spielen sie auf Klassiker an, in What You Could’ve Won zitieren sie Ignorance Is Bliss von den Ramones, „You kick me into touch and I fall / I fall to the floor / And all I wanted was a kiss / All I wanted was a chance tonight / But yeah your ignorance was bliss / Your ignorance was paradise“.

Ihre erste Single Send In The Boys handelt von einer Entführung, ein bisschen simpel, aber na ja. „He had her down in the cellar with a knife at her throat / he wouldn’t let her go oh no.“ Das Musikvideo zu dem Stück illustriert die Geschichte, ein gut geschminktes Mädchen sitzt in einem Keller, die Band musiziert in einem anderen, Polizisten jagen den Entführer und – wer hat’s geahnt? – verhaften am Ende die Musiker. Ach ja, die sehen natürlich die ganze Zeit sehr gut aus. Kurz nach der Veröffentlichung wurden sie gefragt, wie sie sich ihren Erfolg erklären: „In unserem Musikvideo kommen Pistolen vor“, guns, mit u.

Manchmal könnten sie ruhig ein bisschen mehr Humor vertragen. In Showroom besingen sie einen Menschen, der ihnen auf die Nerven geht: „And it makes me laugh, he’s trying so hard to pretend / Acting oh so original when he’s simply following the trends“, haha, Eigentor.

„Well Well Well“ von Milburn ist als CD erschienen bei Mercury/Universal

Hören Sie hier „Send In The Boys“

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Mehr Albtraum!

Das Londoner Duo Various flicht auf der Platte „The World Is Gone“ sanfte Folkharmonien in seinen fiesen Ganoven-Dub

Various The World Is Gone

Vor wenigen Jahren haben die jungen Londoner Clubgänger und ihre DJs wieder einmal einen neuen elektronischen Tanzmusikstil ausgerufen. Aus Two Step und Dub entstand Dubstep. Dröhnende Megabässe mischen zu Samples aus Kung-Fu-Filmen seither den Untergrund auf. Die dumpfe Atmosphärik dieser Musik und ihrer gerne bekifft abhängenden Kundschaft ist jedoch nicht jedermanns Sache.

Seit diesem Herbst wehen neue Gerüchte und andere Töne aus England herüber, das Duo Various versetzt alle in Erregung mit der Geheimniskrämerei um seine Existenz und mit einer frischen Folkdusche für den schwerfälligen Dubstep. Die beiden Londoner Adam Philips und Ian Carter betreiben ihr eigenes kleines Label Various Productions und ein gut laufendes Tonstudio, mehr lässt sich über die Formation mit dem missverständlichen Namen tatsächlich nicht herausfinden. Ihr erstes Album The World Is Gone ist bebildert mit morbiden erotischen Fantasiezeichnungen, die an die Illustrationen in Oscar Wildes Romanen erinnern. Interviews geben die beiden so gut wie gar keine, wer auf ihrer Platte singt, verschweigen sie beharrlich.

Verwirrung stiften sie wohl gerne. Das Eröffnungsstück Thunnk bollert, eine Stimme erzählt monoton vor bedrohlich zersägten Streicherklängen, das zweite Stück Circle of Sorrow ist eine verstörend schöne Folkballade. Da klampft und klöppelt es nach alter irischer Überlieferung, beinahe denkt man, eine ganz andere CD sei angelaufen. Erst in Hater finden Sängerin und Gangsterfilmakustik näher zueinander, eine hochbrisante Mischung aus Gefahr und zarter Harmonie erwächst.

Mysteriös bleibt der Ursprung der Bedrohung. „Sweet oblivion keeps me alive“ nur das süße Vergessen lässt mich überleben, singt einer in Soho. Das wiederkehrende Instrumentenriff gleicht in seiner schrillen Penetranz fast tongenau einem Motiv im Soundtrack von Stanley Kubricks Eyes Wide Shut. Dort untermalt es wie ein Alarmsignal den Moment der Gefahr inmitten einer leuchtenden Umgebung: Ein Yuppie-Pärchen wird von pornografischen Albträumen verfolgt und gerät in die Kreise einer rätselhaften Gruppensexsekte. Kurz vor der Katastrophe endet der böse Trip während eines Weihnachtseinkaufs mit der verschämten Rückkehr von Saubermann und -frau alias Tom Cruise und Nicole Kidman in ihre heile Welt.

Bei Kubrick bleibt ein unterschwelliger Rest von Beklemmung – Various wollen es deutlicher. Die verzerrten Glissandi aus Beatbox und Synthesizern fordern finster dröhnend, hämmernd, kreischend: Mehr Albtraum! Albträumen gegen die aufgeräumten Kulturlandschaften voll ihrer kalten Kriege, und womöglich auch gegen eine allzu saubere Musikindustrie, deren Verwertungsmechanismen sie sich so vehement verschließen? Sie befeuern ihre Visionen lyrisch aus den Tiefen folkloristischer Traditionen, aus der Mystik und Mythologie des Dunklen und Unberechenbaren in der Begegnung des Menschen mit der Natur, dem Ursprünglichen und sich selbst. Ausgelebt werden diese Begegnungen jedoch auf einer Ebene modernster Klangerzeugung und den zugehörigen posttraditionalistischen, rebellischen Haltungen.

Im Stück Sweetness beschwören Mann und Frau im Duett eine Art schwarze Messe, in der Abschlussballade Fly dreht gar der schwarze Rabe im Walzertakt die letzte Runde durch die untergehende Welt. Mit ähnlich düsteren Selbstfindungsreisen und elektronisch verhextem Modern Folk macht der ebenfalls aus London stammende junge Teufelsgeiger Patrick Wolf seit zwei Jahren von sich Reden. Selbst im kühlen Synthiepop der Achtziger und Neunziger spukten mitunter recht märchenhafte Folkgespenster. Ein sehr britisches Phänomen, erinnert sei an die ehemalige Lemon-Kids-Sängerin und schillernde Solo-Performerin Danielle Dax und ihren Auftritt im Fantasyfilm Die Zeit der Wölfe.

Doch bevor es zu melodramatisch wird, kommt bei Various der Kick aus der Kammer des magischen Dub-Echos und kitzelt den verträumten Fantasten subsonisch am Zwerchfell: Hey, wir sind auf dem Dance Floor! Mag auch gelegentlich zu viel vom Dope die Atmung und die Bewegungen verlangsamen – ein Groove ist ein Groove – und das hier keine Gruftiegrotte.

„The World Is Gone“ von Various ist als CD und Trippel-LP erschienen bei XL Recordings/Indigo

Auf der Website des Vertriebs Indigo können Sie Ausschnitte aller zwölf Stücke des Albums hören

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Be-la-la-la-langlose Kostümschau

Gwen Stefani rüscht sich zur Popfigurine auf. Das neue Album „The Sweet Escape“ klingt nach all ihren musikalischen Gewandmeistern, bloß nicht eigen. Vielleicht sollte sie lieber nur Mode machen

Gwen Stefani

I’m just an Orange County girl, livin’ in an extraordinary world. And the girls sing – La la la la la la la, and the guys sing – La la la la la la la. Man würde ihr so gern glauben. Zum Nachweis ihrer Einfachheit legt Gwen Stefani dem Album The Sweet Escape gefühlsduselige Bilder bei. Lebt hinter der mondänen Fassade wirklich ein ehrliches, liebesbedürftiges Mädchen? Verbergen die getönten Gläser nur die Tränen, die es den Freunden hinterherweint, die sie verließen, verschreckt von der Glitzer-Aura? Herrjemineh, wer nimmt der Schönen denn ab, dass unter all den Gucci-, Westwood- und Galliano-Hüllen immer noch die alte Gwen from the block steckt?

Früher war sie ein freches Ska-Mädchen und sang für die kalifornische Band No Doubt. Als die eine Pause einlegten, rüschte Gwen Stefani sich zu einer Figurine der Popkultur auf: Ihr Solo-Debüt L.A.M.B. aus dem Jahr 2004 verkaufte sich rund acht Millionen Mal, nebenher entwarf sie eine gleichnamige Modekollektion. Die vier Buchstaben stehen für Love, Angel, Music, Baby, so taufte sie auch ihre vier in Dirndlmieder, Springerstiefel und Schottenröcke verpackten asiatischen Tänzerinnen. Und vom nächsten Herbst an können ihre Fans dann nach Liebe, Engel, Musik und Kleinkindern duften.

Viele Popstars vermarkten ihre eigenen Parfüm- und Modelinien, selten aber sind Musik und Klamotte so verschränkt wie bei ihr. In jedem zweiten Lied singt sie von Luxuskleidern, ihre Konzerte sind Modenschauen. Sie verehrt Madonna und die modebewussten Mädchen aus Harajuku, dem Bahnhofsviertel Tokios. Von ihnen lässt sie sich inspirieren. Gwen Stefani fehlt es an Sprachsinn und Poesie, nicht aber am Mut zur Affirmation des Ego-Produkts. Mal um Mal betont sie ihre Glaubwürdigkeit und Coolness. „The girls want to know why boys like us so much (…) They like the way that l.a.m.b. ist going ’cross my shirt. They like the way my pants, it complements my shape“, protzt sie in ihrer Jodel-Single Wind It Up.

Wie man sich zur egozentrischen Champagner-Heldin aufspielt und dabei Bodenhaftung vortäuscht, brachten ihr wohl Pharrell Williams und die Neptunes bei. Das erfolgreiche Produzententeam revolutionierte vor sechs Jahren mit verschrobenem Minimalismus den R’n’B und griff auch Britney Spears, Mariah Carey, Beyoncé und Justin Timberlake unter die Arme. Wind It Up ist ein Paradestück neptunischer Skurrilität und gleichsam der einzige Lichtblick auf Gwen Stefanis zweitem Soloalbum. Es rappelt wie ein Jahrmarkt, nervöses Hufeklappern umschwirrt die wummernde Marschtrommel, und das All-American-Girl jodelt zu Klangschnipseln aus seinem Lieblingsalpenmusical The Sound Of Music. Eine wahrhaft schräge Überraschung. Oder vielleicht doch nur ein neuer durchkalkulierter Modeentwurf? Von L.A. über Tokio nach Salzburg ist es für Musikfreunde schließlich nur ein Katzensprung.

Ansonsten singt sie Be-la-la-la-langloses in das teure Studiomikrofon. Die folgenden elf Stücke auf The Sweet Escape klingen blankpoliert und amerikapoppig. Sie lassen weniger einen eigenen Stil erkennen als den des jeweiligen Produzenten – neben den Neptunes helfen namhafte Popschreiber wie Linda Perry von den 4 Non Blondes oder Martin Gore von Depeche Mode aus. Klöternder R’n’B trifft auf elektrisierten HipHop, New Age auf BritPop. Gwen Stefani schlüpft in die Kompositionen ihrer musikalischen Gewandmeister wie in neue Kostüme. Jedes Lied lässt sie anders aussehen.

Dass dieses Album keine Richtung habe, mache es sehr modern, sagt sie. „Ich habe nie geplant, noch eine Soloplatte zu machen. Es ist irgendwie peinlich, darüber zu reden. Ich hatte noch ein paar fantastische Songs von der ersten übrig. Ich wollte aber ein Baby haben. Jetzt habe ich beides. Ich schwimme einfach mit dem Strom“, zitiert sie der Internetdienst PR inside. Wenn das 37-jährige Mädchen hinter der großen Brille so denkt, sollte es lieber den Mund halten und Mode machen. Damit lässt sich auch viel Geld verdienen.

„The Sweet Escape“ von Gwen Stefani ist erschienen bei Universal

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Ein neuer Kopf muss her

„Reservations“ von Sodastream passt in die düstere Jahreszeit. Kein Wunder, sie nahmen es auf, als hierzulande die Frühlingsgefühle herrschten. Bei ihnen zu Hause in Australien war da gerade Herbst

Sodastream Reservation

Was wissen wir schon über Australiens Musikszene? Für ein Gespräch auf einer Achtziger-Party reicht es meist. „Ach hier, Down Under, wie hießen die noch mal?“, „Mensch, ähm, ich hab’s gleich. Nicht Midnight Oil.“ „Nee, das waren ja die mit Beds Are Burning. Aber die kommen auch aus Australien.“ „Nick Cave ja auch. Und Kylie Minogue.“ „Und ACDC und die Bee Gees.“ „Echt? I come from a land down under, where women glow and men plunder … Ach, wie hießen die denn, verdammt.“ Men At Work – so hießen die – prägten unser Bild von Australien nachhaltig. Drollige Typen da unten, das Bier fließt in Strömen, die Männer plündern und kotzen, den Frauen ist das alles eher unangenehm.

Weniges vom Musikmarkt Australiens gelangt in europäische Ohren. Seltsam, dass noch niemand die Marktlücke schloss, die die Verschiebung der Jahreszeiten bietet. In unseren Breiten werden gecastete Hupfdohlen im tiefsten Winter ins Studio geprügelt, um ihr „Summer Summer, Yeah Yeah, Shalala, Let Me Be Your Badehandtuch“ in die Mikros zu heucheln. Damit sie in die richtige Stimmung kommen, werden sie mit Caipirinha abgefüllt und müssen in trockener Heizungsluft schwitzen. Ihre Freizeit müssen sie im Sonnenstudio verbringen, um beim Fotoshooting ja nicht blass dreinzublicken. Platten von Künstlern aus Australien und Neuseeland hingegen passen auch ohne das elende Geschummel immer zur Jahreszeit. Zu unserer jedenfalls. Eine Platte, die im ozeanischen Herbst aufgenommen wird, erscheint ein halbes Jahr später im europäischen Herbst.

So zum Beispiel auch Reservations der Australier Sodastream. Es ist ihr viertes Album und passt in diese Tage. Die Himmel sind verhangen, durch die Straßen fegt Laub, Regen plockert an die Scheiben. Sieht der Herbst in Australien so aus? Keine Ahnung. Reservations jedenfalls klingt, als hätten Pete Cohen und Karl Smith ziemlich betrübt im Studio gesessen und an ihren akustischen Instrumenten herumgenestelt.

Ihr erster Schritt über die etlichen Weltmeere zwischen dort und hier war Turnstyle von ihrer ersten Single Enjoy. Das Stück schaffte es 1998 in John Peels berüchtigtem Jahresrückblick Festive 50 auf Platz 45. Damals orientierten sie sich noch sehr am BritPop, über die Jahre sind sie ruhiger geworden.

Ihre Musik ist schön, wunderschön. Irgendwo zwischen Belle & Sebastian und Will Oldham oder Jason Molina. Brüchig melodiös, könnte man sagen. Karl Smith näselt leicht, seine Stimme ist warm und freundlich. Manchmal singen sie auch zweistimmig. Ihre Gitarren behandeln sie zart, der Kontrabass schnarrt nachdrücklich. Bei vielen Stücken werden sie von einer Violine oder einem Klavier begleitet, bei Anniversary vom Horn. Bei Michelle’s Cabin lässt Pete Cohen die Säge singen. Alles ganz ruhig und zurückhaltend. Alleine bei der Single Twin Lakes ist der Rhythmus ein bisschen fröhlicher geraten, fast countryartig.

Auch in den Texten steckt der Herbst. In Anti singt Smith von schweren Tagen, grau und verregnet und voller Unruhe. „I’m ging to shout for a little while, and then I’m going to scream for a short while, ‚Cause I can’t sleep till the sickness here subsides.“ Und dann rennt er ein bisschen durch die Gegend und versucht zu lachen, am Ende hat er wieder nichts gelernt. „So bring me hope for a little while, and bring me peace for a short while, I’m on my knees and I’ll beat this wall and cry.“ Jedes Singen über das Wetter übersetzt sich früher oder später in Einsamkeit, Trennungsschmerz und Scheitern. Er singt vom Juli, der nicht warm wird, dahinter steckt Trauer. Sein Kopf muss ab, singt er, ein neuer her, „Someone to take the weight and bring peace of mind, and warm July here“. Hach.

Überwältigt von der ganzen Schönheit vergisst man fast, dass einem der Name der Band wirklich schwer über die Lippen geht. Offensichtlich blieb dem fünften Kontinent die Geißel der prinzipiell funktionsuntüchtigen Geräte zum Wassersprudeln erspart.

„Reservations“ von Sodastream ist erschienen bei Hausmusik

Hören Sie hier das Stück „Reservations“

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Sockenbrand am 24.

Sufjan Stevens überrascht mal wieder alle: Mit einer Fünf-CD-Box zum Fest der Feste. Seine „Songs For Christmas“ sind teils recht krass

Sufjan Stevens - Christmas

Im Herbst des Jahres 2001, der die Welt erschütterte, erlebte der Musiker Sufjan Stevens auch einen sehr persönlichen Moment der Krise. Einsam, unbekannt und stoppelbärtig saß der arbeitslose Mittzwanziger in einem Zimmer in Brooklyn, aß tagealtes Brot oder Instantnudeln, und an einem Morgen Anfang Dezember wollte er sich das billigste aller Frühstücke machen, Pfannkuchen aus der Tüte, bloß rauspulvern, Wasser dazu und umrühren, als es zu einer folgenreichen Verpuffung kommt.

Der Plastiklöffel mit dem Pulver fängt am Herd Feuer, zertropft, flammt auf in einer chemischen Reaktion wie bei einem missglückten Experiment im Schulunterricht. Der hungrige Musiker versucht, die Reaktion mit einem Glas Milch zu löschen und findet sich inmitten einer giftig schmeckenden Wolke. Der Geruch wirft ihn um viele Jahre in die Vergangenheit zurück, ins elterliche Haus zu Weihnachten, da die Mutter gerade in einem zerstörerischen Verzweiflungsakt gegen den Festtagsstress ein noch verpacktes Geschenk vom geschmückten Tannenbaum reißt und wutentbrannt in den Ofen schmeißt.

Es sind die sechs Socken, die der kleine Sufjan seinem älteren Bruder schenken wollte als Wiedergutmachung dafür, dass er ihm von allen Strümpfen die Spitzen abgeschnitten hatte – aus Rache, weil der Bruder herumerzählt hatte, dass Sufjan noch Daumen lutschte und mit einem Kuscheltier schlief. Die Socken waren aus synthetischen Fasern; sie schmolzen im Ofen, begannen zu brodeln und bestialisch zu stinken. Die unter den Feiervorbereitungen an den Rand ihrer Nervenkraft gelangten Familienmitglieder liefen hinaus in den meterdicken Schnee und schnappten nach Luft. Sie rissen alle Fenster auf; es brauchte eine Stunde, bis der gröbste Gestank verschwunden war. Und noch heute, glaubt man Sufjan Stevens, riecht es nach den verfeuerten Socken.

Er erzählt die Geschichte in dem hintergründig dekorierten Büchlein, das seiner Fünf-CD-Box mit Weihnachtsliedern beigelegt ist. Sein Verhältnis zum Fest der Liebe scheint so kompliziert wie das vieler seiner Hörer. Es brauchte die Initialzündung im Advent 2001, um aus dem Festverweigerer einen trotzigen Weihnachtsliedsänger zu machen. Gleich nahm er sieben Songs auf, brannte sie auf CDs, schickte sie Freunden und Verwandten, 17 Minuten sehr widersprüchlicher Gesänge. Stille Nacht macht lieblich den Anfang, Amazing Grace den Schluss, dazwischen Garstiges von ihm wie It’s Christmas, Let’s Be Glad, das – frei übersetzt – so geht: »An Weihnachten freuen wir uns eben / Selbst wenn bös gewesen euer Leben / Wird’s Geschenke geben / Geht raus in den Schnee / Und hört Sankt Niklas’ ›He! He! He!‹«

Was so spontan begonnen hatte, erhob Sufjan Stevens alsbald zu einem Brauch; alle Jahre wieder zerrte er Nachbarn und Bekannte mit Glöckchen vors Mikrofon, stimmte Jingle Bells an und Joy To The World und machte unter Hinzugabe eigener Lieder ein banjogestütztes CDlein daraus.

Nun hat er, beflügelt vom Erfolg seiner boshaft-grandiosen Hymnen auf die amerikanischen Bundesstaaten (Greetings From Michigan, 2003; Come On Feel The Illinoise, 2005), die fünf weihnachtlichen Kleinalben in einer prachtvollen Schachtel veröffentlicht. In ihr findet sich vieles von dem, was diese Zeit des Jahres an Schönem und Schrecklichem zu bieten hat. Das Songbook enthält dazu die Texte und die Gitarrengriffe für ein stimmungsvolles Singalong rund um die familiären Eruptionen.

„Songs For Christmas Singalong“ von Sufjan Stevens ist erschienen bei Asthmatic Kitty/Cargo

Hören Sie hier das im Text zitierte „It’s Christmas, Let’s Be Glad“, geschrieben von Sufjan Stevens, und seine beschwingte 36-Sekunden-Version des Klassikers „Jingle Bells“

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