Lesezeichen
 

Wenn die Sitar leise weint

Bishi aus London spielt englischen Pop auf indischen Instrumenten. Ihr Debütalbum „Nights At The Circus“ beweist, wie frisch Zweiweltenmusik klingen kann.

Bishi

Von Sirenen und Besoffenen, vom Verlieben und Verschmelzen, vom Nachtbus und dem Morgen nach der Party – davon singt Bishi. Die 24-jährige Musikerin lebt in London, als DJ hat sie sich in den Clubs der Stadt einen Namen gemacht. London sei ihr „pleasure ground, spectacular and cruel“, sagt sie. Ihre zweite Heimat ist Indien, von dort kommen ihre Eltern. Sie besucht das Land jedes Jahr.

Jetzt hat Bishi ihr erstes Album aufgenommen. Nights at the Circus heißt es, nach einem Roman von Angela Carter. Die Platte ist ein klingendes Panoptikum. Lustvoll und spielerisch verbindet Bishi die beiden Musikkulturen, in denen sie zuhause ist. Feinsinnige Elektronika trifft auf traditionelle indische Instrumente. Unermüdlich klopft sie die Tabla, die Sitar spielt sie wie eine E-Gitarre. Sie bereichert den Pop ihrer ersten Heimat um tausend kleine Klänge ihrer zweiten, verziert jedes Stück mit Glockenspiel, Ukelele und Harmonium. Über all dem schwebt ihre wandlungsfähige Stimme, teils zum Chor verstärkt. Das sei keine Weltmusik, sagt sie, sondern London-Musik.

In dem Lied The Swan entführt sie den Hörer in die Welt eines zarten Schwanenwesens und entgeht dem Kitsch um Haaresbreite; in Nightbus trottet man mit ihr bedrückt durch die Kälte, Nachtbusse sausen durch die von gebrochenen Kreaturen gesäumten Straßen; in der nächsten Nummer stürmt sie „on my own again“ wütend in Richtung Tanzboden.

Das Album schließt mit einem zauberhaften „Namaste“ – dem indischen Wort für Danke. Als habe sie das Geschenk empfangen, aus zwei Traditionen schöpfen zu dürfen und sich nicht zwischen ihnen zerreißen zu müssen. Der Trick sei, sagt sie, nicht zwischen den Kulturen zu wählen, sondern eine eigene zu erschaffen. Zur Zeit weilt Bishi in Buenos Aires, für den argentinischen Tango ist in ihrem großen Musikerinnen-Herzen allemal Platz.

„Nights At The Circus“ von Bishi ist bei Gryphon Records erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ELEKTRONIKA
Underworld: „Oblivion With Bells“ (PIAS 2007)
Camouflage: „Archive #1“ (Polydor 2007)
Raz Ohara And The Odd Orchestra: „s/t“ (Get Physical Music/Rough Trade 2008)
Closed Unruh: „Nichts schmeckt – aber alles schmeckt gut“ (E-Klageto 2007)
„A Number Of Small Things“ (Morr Music 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Kleistern bitte im Wohnzimmer

Einst waren Underworld die Helden der britischen Party-Szene. Ihr neues Album „Oblivion With Bells“ klingt dumpf und träge, wie Dubstep in Zeitlupe.

Underworld Oblivion With Bells

Jede Musik hat ihre Zeit. Genesis passten in die Siebziger und die Achtziger, heute kann man sie belächeln. Michael Jackson musiziert seit zwanzig Jahren als seine eigene Parodie, die Rolling Stones seit dreieinhalb Jahrzehnten. Auch die Wiedervereinigung der Sex Pistols vor einigen Jahren war ein Trauerspiel.

Und Underworld? Sie hatten ihre Zeit Mitte der Neunziger, Ewan McGregor rannte damals im Rhythmus ihres Born Slippy. Nuxx durch Edinburgh. In Danny Boyles Film Trainspotting lieh er dem Drogenkranken Mark Renton sein verschwitztes, aber nettes Gesicht. Renton pfiff auf Karriere und Riesenfernseher, auf Familie und Zahnzusatzversicherung. Wie Smells Like Teen Spirit einige Jahre zuvor wurde Born Slippy. Nuxx zur Hymne einer Generation. Diese gierte nicht nach Authentizität und Gitarren, sie durchfeierte die Nächte in den britischen Metropolen mit Alkohol, Pillen und poppigem Techno.

Underworld haben ein neues Album veröffentlicht, Oblivion With Bells. Interessiert das jemanden? Heute bringen die brüchigen Rhythmen des Dubstep die Tanzböden zum Bersten, Underworlds dickflüssiger Kleister ist da kaum gefragt. Sie schwelgen im Flächigen, ihre Rhythmen sind dumpf und träge, ist das Dubstep in Zeitlupe? Oft erhebt Karl Hyde seine Stimme, mal ruhig sprechend wie in Holding The Moth und Ring Road, dann wieder durch den Verzerrer singend, wie bei Crocodile und Best Mamgu Ever. Das geht meist ohne Punkt und Komma, wie damals bei Born Slippy. Nuxx.

Überhaupt, irgendwie ist hier alles wie früher. Hyde und sein Kollege Rick Smith fackeln nicht lange. Zwanzig Sekunden lang jubilieren schrille Keyboards, dann bahnt sich ein funkender Rhythmus den Weg, er beherrscht das Album. „Two kangaroo fingers push through and scratch my back in rhythm“, singt Karl Hyde in lang gezogenen Silben. Und „Two numbers click between her touch when you pull me down into them. Rising and rising through the inside of a glass eye painting“. Sind ja nur Worte. Nach sechseinhalb Minuten geht das Stück in Beautiful Burnout über, das fällt erst gar nicht auf.

Im fidelen Ring Road klingt Hyde wie Mike Skinner alias The Streets. Im nordenglischen Zungenschlag legt er eine arhythmische Geschichte über ein umso rhythmischeres Beben. Auch der Junge aus dem Trainspotting-Hit taucht wieder auf: Das Stück Boy, Boy, Boy klingt organisch, denn Larry Mullen Jr. spielt ein echtes Schlagzeug. Sonst trommelt er bei U2, auch so eine Band, die den richtigen Moment zum Aufhören verpasst hat. Das fantastische Faxed Invitation schließlich klingt wirklich ein wenig nach Dubstep.

Überhaupt: fantastisch. Das Album ergreift einen, sobald man aufhört, übers Tanzen nachzudenken. „Waiting for a night to wrap around us“, beschwört Hyde in Crocodile das alte Gefühl. „I could go in there get some sweet stuff“, fügt er hinzu und schmunzelt selbstsicher. Auch der ironische Titel des Album legt die Vermutung nahe, Underworld wüssten sehr genau, wie es um sie steht. Wenn ihr uns schon vergesst, dann wollen wir wenigstens gut klingen – so könnte man den Titel verstehen.

Und sie klingen genau so gut und dicht wie vor zehn Jahren, nur alles um sie herum klingt heute anders. Sie sind dem Club entwachsen, weil sie dort niemand mehr hören will. Ihre Rhythmen sind träge, fast beruhigend, so etwas macht sich im Wohnzimmer ohnehin viel besser.

Im neuen Kontext dürfen Underworld einen zweiten Frühling erleben. Was das für die heutige Musik von Genesis, Michael Jackson und den Sex Pistols bedeutet? Da denken wir besser gar nicht drüber nach.

„Oblivion With Bells“ von Underworld ist als CD und Doppel-LP erschienen bei PIAS.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ELEKTRONIKA
Camouflage: „Archive #1“ (Polydor 2007)
Raz Ohara And The Odd Orchestra: „s/t“ (Get Physical Music/Rough Trade 2008)
Closed Unruh: „Nichts schmeckt – aber alles schmeckt gut“ (E-Klageto 2007)
„A Number Of Small Things“ (Morr Music 2007)
„Ernte25“ (Bar25 Label 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Schwul, kühl, flott: Disco

Der Kölner Justus Köhncke hat viele Leidenschaften. Die wummernden Rhythmen seines dritten Albums „Safe And Sound“ verfeinert er mit elegantem Pop und einer Prise Schlager.

Justus Köhncke Safe and Sound

In der neuen Ausgabe der Zeitschrift Groove stellt der Kölner House-Musiker Justus Köhncke seine sechs liebsten Platten vor. Neben einer Platte von Velvet Underground und einer von DJ Pierre stehen gleich vier Alben aus den Achtzigern, Alles ist gut von DAF, Computerwelt von Kraftwerk, The Lexicon Of Love von ABC und Cupid & Psyche 85 von Scritti Politti. Die Auswahl ist ein Bekenntnis zur Künstlichkeit. Bezeichnend sind Köhnckes Ausführungen zu Scritti Politti: „Dieser glitzernde, futuristische, hochglanzpolierte ‚Kalt, modern und teuer‘-Sound dieser Produktion war stark verantwortlich für mein berufliches Traumziel Plattenstudio.“ Die Platte markiere das Ende des „handwerklichen Muckertums“. Justus Köhnckes Produktionen knüpfen hier an, sie sind immer schon so glatt und kühl wie der Pop der Achtziger. Auch sein neues Album Safe And Sound glitzert elegant.

Köhncke hat eine zweite Leidenschaft: Disco, in all ihren Spielarten. Die monotonen Rhythmen und die exaltierten Gesten der Discomusik waren in den Siebzigern jedem Mucker ein Gräuel, Justus Köhncke belebt sie wieder um einer schwulen Ästhetik Willen. Seine ersten beiden Alben Was ist Musik und Doppelleben waren glamouröse Amalgame aus Disco-Klängen und schlagerartigem Gesang – Hildegard Knef ist ihm ein Vorbild. Dazwischen baute er immer wieder gradlinige House-Rhythmen. Auf Safe And Sound singt er lediglich zu (It’s Gonna Be) Alright, der Rest des Albums ist instrumental.

Es geht los mit Grace Jones. Ihr Spiel mit Geschlechter-Kategorien ist Köhncke eine wichtige Referenz. Yacht basiert auf einem Sample aus ihrem Slave To The Rhythm. Was einst kalt wirkte, mutet heute warm an, das ehedem Futuristische klingt zeitlos. Das Sample fügt sich nahtlos ein in Köhnckes flottes House-Stück.

Er hat ein sicheres Gespür für Melodien und Strukturen, seine eingängigen Stücke haben immer das Zeug zum Club-Hit. Nicht alles klingt nach Disco, $26 ist einprägsamer Intelligenz-Techno, Molybdän ein melodieverliebtes Trance-Stück. Selbst hier schimmert der Hedonismus des Tanzpalasts durch, die Lieder laufen auf beglückende Höhepunkte zu. Wenige Stücke klingen so offensichtlich nach Disco wie Parage mit seinen Streichern und dem federnden Bass.

Tilda braucht gar keinen wummernden Rhythmus, es ist die klangliche Brücke zur Coverversion von Michael Rothers Feuerland. In Köhnckes Bearbeitung treibt ein träge watschelnder Rhythmus krautrockige Synthesizer und Ambient-Gitarren vor sich her. So klang Cosmic Disco Anfang der Achtziger. In Gestalt des House sind diese tanzbaren Rhythmen auferstanden, wie Phönix aus der Asche.

„Safe And Sound“ von Justus Köhncke ist als CD erschienen bei Kompakt/Rough Trade.

Weitere Beiträge aus der Kategorie HOUSE
False: „2007“ (Minus Records 2007)
Matthew Herbert: „100 lbs“ (!K7 2006)
Herbert: „Scale“ (Accidental/!K7 2006)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Depeche Mode aus Bietigheim

Seit 25 Jahren machen Camouflage eingängigen Elektropop, ihre Stücke gehören auf jede gute Wave-Party. Das Doppelalbum „Archive #1“ versammelt nun Kurioses und Verschollenes, Erfolgreiches – und Unhörbares.

Camouflage Archive

„Ist das von Depeche Mode?“ – Nein, ist es nicht. Im Jahr 1987 machte das Lied The Great Commandment die Band Camouflage auf einen Schlag bekannt, die Einflüsse Depeche Modes und Kraftwerks waren nicht zu überhören. Das melancholische Tanz-Stück bringt seitdem Wave-Partys in Bewegung und rotiert noch heute im Radio. Sein Rhythmus geht in die Beine, die Melodie ins Ohr. Mit Love Is A Shield hatten Camouflage im Jahr 1989 einen zweiten großen Hit und galten nicht länger als bloße Kopie von Depeche Mode. Allmählich erspielten sie sich eine eigene Hörerschaft, erfolgreich waren sie vor allem in den USA. Die nun erschienene Doppel-CD Archive #1 resümiert fünfundzwanzig Jahre Bandgeschichte.

Angefangen hatte alles im Jahr 1983 im schwäbischen Bietigheim-Bissingen. Heiko Maile, Oliver Kreyssig, Marcus Meyn und Martin Kähling probierten, was man mit Synthesizern anstellen kann. Bald nannten sie sich Camouflage, nach einem Stück der japanischen Elektropop-Gruppe Yellow Magic Orchestra. Im Keller von Mailes Elternhaus richteten sie sich ihr Studio ein und tauften es Boys Factory. Wie das damals aussah, verrät ein Foto in der Klapphülle des Albums: Vier Jungs mit zartem Oberlippenflaum und Strickpullovern stehen selbstversunken hinter Synthesizern. Martin Kähling verließ die Band nach einem Jahr.

Auf Archive # 1 tragen Camouflage Remixe, Single-Rückseiten und Raritäten zusammen, Anhänger erfreut das. Der weniger fanatische Hörer wird sich bei einigen der 26 Stücke die Ohren zuhalten müssen. Der Orbit Dub Mix von Love Is A Shield ist grauenhaft, im technoiden Lexy & K-Paul Remix verliert das Stück jegliche Romantik und eignet sich allenfalls für die Morgengymnastik. Mit Kling Klang und der Cover-Version von Computer Liebe verneigt sich die Band gleich zweimal wohlklingend vor Kraftwerk. Manches klingt überraschend: In Every Now And Then hört man tickende Wecker, gregorianische Chöre, der Gesang kommt über das Verzerrer-Mikrofon. Mit They Catch Secrets und Perfect führen Camouflage vor, was ihnen am leichtesten aus den Tasten hüpft: eingängiger Elektro-Pop, dessen Synthetik durch Marcus Meyns nasalen Gesang warm und wehmütig wirkt. Der Höhepunkt des Albums ist das instrumentale Camou Says Abdulu, da piept und scheppert es ganz wunderbar im Klanggewand der Achtziger – das Stück stammt von einer Zweispur-Kassettenaufnahme aus dem Jahre 1985.

Mittlerweile haben die Mitarbeiter der Jungsfabrik die anderen Seiten des Musikgeschäfts kennen gelernt – als Werber und Produktmanager für große Plattenkonzerne und als Musikproduzenten. Auf ihrer Homepage erzählen sie, wie aufreibend die Verhandlungen mit Plattenfirmen sein können. Auf Höhen folgen Tiefen, da kann ein bodenständiger Beruf nicht schaden. Bei aller Liebe zur Musik – da ist sie wieder, die Mischung von Zynismus und Romantik, die sie in Love Is A Shield besingen: Nichts ist für immer.

„Archive #01“ von Camouflage ist als Doppel-CD erschienen bei Polydor/Universal.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ELEKTRONIKA
Raz Ohara And The Odd Orchestra: „s/t“ (Get Physical Music/Rough Trade 2008)
Closed Unruh: „Nichts schmeckt – aber alles schmeckt gut“ (E-Klageto 2007)
„A Number Of Small Things“ (Morr Music 2007)
„Ernte25“ (Bar25 Label 2007)
Rhythm King And Her Friends: „The Front Of Luxury“ (Kitty Yo 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Herz bleibt stumm

Hot Chips neues Album „Made In The Dark“ wird überall gepriesen. Sollte diese Musik wirklich richtungsweisend sein, erwartet uns nicht viel Freude.

Hot Chip

Diese Band stehe für die neue, digitalisierte Bohème, sagt der Tagesspiegel.

Diese Band sitze äußerst erfolgreich zwischen den Stühlen, sagt die FAZ.

Diese Band klinge cool wie sonst nichts, sagt der Musikexpress.

Diese Band sei eine Band völlig neuen Typs, sagt die Spex.

Dieses Album sei die Blaupause für elektronische Popmusik 2008, sagt die Intro.

Dieses Album werde eines der besten dieses Jahres sein, sagt die Welt.

Dieses Album sei das Album der Stunde, sagt DIE ZEIT.

Und was sagt das Herz? Nichts. Es bleibt stumm. Unberührt.

Als im Jahr 2006 Hot Chips Platte The Warning erschien, sang und jubilierte es, war erfüllt von Melodien, pochte im Rhythmus. Jetzt mag es sich nicht regen.

An seiner Statt erwacht der Geist und fragt: Was ist passiert? Was ist anders an Made In The Dark? Er legt den Finger in die Rille und horcht.

Elektronik mischt sich mit Elementen aus Rock, Soul, Folk und Rhythm’n’Blues – es ist für jeden was dabei. Hot Chip zitieren sich durch die Popgeschichte. Der Geist hat seine Freude, all diese feinsinnigen Referenzen zu ordnen. Aber etwas reizt die Nerven: Immer immer wieder wieder wieder wiederhohohoholen sich die Phrararararasen.

Rhythmen und Harmoniefolgen drehen sich in engen Zirkeln, das liegt in der Natur der Popmusik. Melodien jedoch schlagen für gewöhnlich größere Bögen, als Alexis Taylor sie mit seinem sanften Tenor intoniert. Hot Chip verwenden die Stimme als weiteres Instrument in einem kleinteiligen Tanzmusikgefüge. Was auf dem Vorgängeralbum mit einer ironischen Warnung begann („Over and over and over and over: The smell of repetition really is on you“), klingt nun erschöpft und einfallslos. Offenbar haben die liebenswerten Tonschlangen, die sich einst durch Hits wie Colours und And I Was A Boy From School wanden, zwischenzeitlich ein Lineal verschluckt.

Auf Made In The Dark legt sich die Monotonie des Gesangs über farbenfrohes Gerassel. Hin und wieder fügen sich Schlagzeug, Gitarren und Synthesizer zu einem Stampfen. Dann wollen sich Füße und Beine freilich bewegen, der Geist ist d’accord. Aber das Herz bekommt lediglich schlichte Balladen vorgesetzt, so das Titelstück Made In The Dark oder Whistle For Will. Musikalisch fad. Da zündet kein Funke. Wie den Melodien fehlt auch den Stücken im Ganzen ein klingender Bogen. Hot Chip kleben abenteuerliche Versatzstücke aneinander – Schlafzimmerproduktion der leichtfertigsten Art.

Es reicht, Finger von der Rille. Warum sprechen alle über diese Band und diese Platte?

Die Vermutung liegt nahe, dass die Musikbranche ihre Hebel angesetzt hat, um eine recht verbindliche Londoner Jungsgruppe zum nächsten großen Ding zu stilisieren: Schaut her, Hot Chip schreiben ihre Musik daheim, spielen mit den Stilen, tragen große Brillen, Bärte und hässliche Pullover, sind nebenher DJs und haben ein Auge für Design! Solch eine Band muss doch aufregend klingen – dies verbreiten die PR-Agenten, und die vereinigte Presse glaubt es ihnen.

Oder kratzt diese Platte an der Eitelkeit der Journalisten? Es hat den Anschein, als wollten sie wiedergutmachen, dass sie dem herausragenden Vorgängeralbum The Warning nicht die angemessene Aufmerksamkeit haben zukommen lassen. So ergötzen sie sich jetzt am mittelmäßigen Nachfolger. Wenn so viele vermeintliche Meinungsführer in ein blasses Echo einfallen, ist zwangsläufig ein neuer Trend ausgerufen.

Obwohl – Trend? Popmusik bringt im besten Fall Herz, Geist und Körper in Balance. Sollte diese Platte richtungsweisend sein, erwartet uns nicht viel Freude.

Im Interview mit dem ZUENDER erzählt der Sänger Alexis Taylor, mit welcher Musik er aufwuchs »

„Made In The Dark“ von Hot Chip ist als CD und LP erschienen bei EMI.

Weitere Beiträge aus der Kategorie POP
Slut: „StillNo1“ (Virgin/EMI 2008)
Clare & The Reasons: „The Movie“ (Frog Stand/Cargo 2007)
Naked Lunch: „This Atom Heart Of Ours“ (Louisville 2007)
Diverse: „Plum – 15 Years Of Thrill Jockey“ (Thrill Jockey 2007)
Get Well Soon: „Rest Now, Weary Head!“ (City Slang 2008)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Gurren aus dem Unruhestand

Der schwarze Trompeter Bill Dixon entlockt seinem Instrument stets unerhörte Klänge. Seinen neuen Aufnahmen mit dem Exploding Star Orchestra hört man an, dass er gar nicht anders kann.

Bill Dixon with Exploding Star Orchestra

Vor zwölf Jahren ging der Trompeter Bill Dixon in den Ruhestand, da war er 71 Jahre alt. Aufnahmen des kompromisslosen Musikers waren nur wenige erschienen, doch seine Klänge hatten viele Menschen beeinflusst. Dixon produzierte Klänge, gewaltige und unheimliche, quietschende, gurrende und gurgelnde, lange und laute. Wenn heute ein Trompeter seinem Instrument Geräusche entlockt, klingt Dixon fast immer durch. Man kann Axel Dörner fragen oder Rob Mazurek: Dixon habe Türen aufgestoßen in eine Welt, die man sogar im fortschrittsgläubigen Jazz nicht gekannt habe, darin stimmen sie überein.

Der Chicagoer Trompeter Rob Mazurek traf Dixon vor einiger Zeit. Was er hörte, verglich er mit Schwärmen heiliger weißer Vögel auf dem Flug in eine exzellente Ewigkeit. Es gelang ihm, Dixon zum Spiel mit seinem Exploding Star Orchestra zu bewegen. So erscheint nun eine neue Aufnahme des Pensionärs, Bill Dixon With Exploding Star Orchestra.

Die Trompete könne mehr, sagt Dixon, es habe sich nur noch nicht durchgesetzt. Ihr sei es egal, was man mit ihr anstelle, sie sei nur ein Stück Metall. Die Schreibmaschine kümmere es schließlich auch nicht, ob auf ihr religiöse Gedichte, erotische Romane oder politische Pamphlete getippt würden.

Im Jahr 1964 initiierte Dixon die Konzertreihe October Revolution in Jazz, einen musikalischen Selbstversuch der jungen New Yorker Avantgarde. Es ging um Selbstorganisation und Selbstbestimmung, um neue Kompositionsformen und Improvisationsbedingungen. Vier Autostunden nördlich der Stadt war er später knapp drei Jahrzehnte lang als Musiklehrer am College tätig. Anders als die meisten seiner frühen Kollegen wollte er seine Musik nicht kommerziell ausschlachten lassen. Wer keine Prinzipien habe, würde über den Tisch gezogen, sagt er.

Man hätte das Label Motown in den sechziger Jahren davon überzeugen sollen, die Platten der schwarzen Avantgarde zu veröffentlichen, sagt er rückblickend. Nur selten hat der Afroamerikaner Dixon eine Vorlesung oder einen Workshop in einem schwarzen College gegeben, schwarzes Publikum besucht seine Konzerte selten. Dass man sich selbst organisieren müsse, war die Parole vor 40 Jahren, erzählt er. Die jungen schwarzen Musiker hätten nicht richtig zugehört.

Dixon machte die Aufnahmen mit dem Exploding Star Orchestra, weil er spürte, dass die jungen Musiker aus Chicago brannten. In jeder Sekunde des Albums hört man, dass sie diese Musik machen müssen, dass es für sie nichts anderes gibt. Ein Künstler müsse immer das tun, was er gut könne, ansonsten würde er spüren, dass sein Leben sinnlos sei, sagt Dixon. Die wichtigsten Dinge in seinem Leben seien passiert, als er nichts hatte. Weder er noch seine Kollegen hätten Rücklagen oder Zukunftsaussichten gehabt. Sie hätten immer nur das getan, was sie tun wollten. Bill Dixon With Exploding Star Orchestra klingt wie die Fortentwicklung dieser Geisteshaltung.

Das unbetitelte Album von Bill Dixon With Exploding Star Orchestra ist bei Thrill Jockey erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie JAZZ
David Murray & Cassandra Wilson: „Sacred Ground“ (Sunny Moon 2007)
Anthony Braxton: „Solo Willisau“ (Intakt 2007)
Simphiwe Dana: „The One Love Movement On Bantu Biko Street“ (Skip Records 2007)
Herbie Hancock: „River – The Joni Letters“ (Verve 2007)
Christian Scott: „Anthem“ (Concord 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter zeit.de/musik

 

Zwei wie Raufaser

Nada Surf aus New York spielen schnörkellosen Indierock. Ihr Album „Lucky“ ist mal melancholisch, mal fröhlich, immer amerikanisch. Neu klingt das nicht, aber gut.

Nada Surf Lucky

Sechzehn Jahre ist es her, da erschien das erste Album der amerikanischen Indierocker Sugar, Copper Blue. Monolithen gleich ruhten Stücke wie Changes und If I Can’t Change Your Mind in sanften Hügeln aus Melodie. Ihre leicht angerauten Oberflächen schimmerten geheimnisvoll. Bob Mould, der ehemalige Gitarrist und Sänger der Punk-Band Hüsker Dü strich die verzerrte elektrische Gitarre, die Klänge verdichteten sich zu einer undurchsichtigen Nebelwand. Hier und da zerschnitt seine Stimme die Schwaden mit einer charmanten Strophe, einem beglückenden Refrain. Stetes Bumtschak-Bumbumtschak trieb die Stücke im Viervierteltakt voran. Copper Blue war stilbildend, eine ganze Generation vor allem amerikanischer Musikern wollte härter klingen als R.E.M. und freundlicher als Nirvana, eben wie das Trio Sugar.

Nun hat sich Bob Mould der New Yorker Band Nada Surf angeschlossen. So jedenfalls klingt ihr neues Album Lucky, es ist ihr fünftes. Gut und gerne könnte es Mitte der Neunziger entstanden sein. Der Blick ins CD-Büchlein verrät, dass drei Musiker am Werk sind, Bob Mould ist nicht dabei.

Die Ähnlichkeiten sind frappant. Wie Sugar errichten Nada Surf Klangwände aus angehauenen Saiten und tapezieren Raufaser drauf. Oft klingen sie melancholisch, dann wieder fröhlich, immer amerikanisch aber nie schwer. Heute macht kaum noch jemand solche Musik, so schnörkellosen, ja, eigentlich traditionellen Indierock. Ohne elektronische Angeberei, mit einer überschaubaren Anzahl von Akkorden.

Den einzigen wirklichen Unterschied macht die Stimme. Bob Mould klang immer ein bisschen angestrengt in den oberen Lagen. Nada Surfs Sänger Matthew Caws turnt noch eine Oktave höher, seine Stimme ist knarzig, fast nasal. Richtig gut singen sie beide nicht.

Lucky klingt kompakt. Hier und da ist ein ruhiges Lied eingestreut, auch mal ein Dreivierteltakt. Jedes Stück ist irgendwie schön, nur From Now On schwächelt. Beim fünften, sechsten Hören schwingen sich kleine Lieblingsmelodien empor, erst Weightless, dann See This Bones und Whose Authority. Später Beautiful Beat und I Like What You Say, bald fast alle. Wenn die Melodien erst im Kopf umherschwirren, wird Lucky seinem Titel gerecht, dann macht seine Leichtigkeit auch ein bisschen glücklich.

Ein Überflieger wie Always Love von ihrem letzten Album The Weight Is A Gift fehlt, Lucky tut das gut. Im Klang der brillanten Melodie von Always Love verblasste damals der Rest der Platte.

Und Bob Mould? Ein Minialbum und ein langweiliges zweites Album nach Copper Blue hat er Sugar aufgelöst und Solopfade beschritten. Dieser Tage veröffentlicht auch er eine neue Platte, District Line. Seine Stimme ist sanfter geworden, seine Gitarren auch. Nett ist das, klingt ein bisschen wie diese amerikanische Rockband Nada Surf.

„Lucky“ von Nada Surf ist als CD und LP bei City Slang erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie ROCK
Alec Empire: „The Golden Foretaste Of Heaven“ (Eat Your Heart Out 2008)
Neil Young: „Dead Man“ (Vapor Records/Warner Music 1996)
Karate: „595“ (Southern Records 2007)
Nevada Tan: „Niemand hört dich“ (Vertigo/Universal 2007)
Codeine: „The White Birch“ (Sub Pop 1994)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Shakespeares Mittelfinger

Die Kompilation „Disco Not Disco“ fürchtet den Tanzboden. Opulente Streicher? Schmissige Rhythmen? Hinternwackeln? Fehlanzeige. Stattdessen gibt es aufregend Unentschlossenes aus den siebziger und achtziger Jahren.

Disco Not Disco

Sein oder Nichtsein? William Shakespeares Hamlet eröffnet mit dieser oft zitierten Frage einen Monolog, der vom entschlossenen Handeln und der Angst vor dem Tod handelt. Das war um 1600. Mehr als vierhundert Jahre später behandelt das Label Strut Records eine Variation des Themas: Disko, oder nicht Disko, das ist jetzt die Frage.

Disco Not Disco ist eine Kompilation, die von der Angst vor der Disko handelt. Hier sind keine opulenten Streicher zu hören, keine schmissigen Rhythmen. Getanzt wird auf der Klinge. Die Künstler bewegen sich zwischen Punk, Dub und Disko. Die Unentschlossenheit macht den Reiz der Stücke aus. Schmutz und Glamour stecken oft in einem Lied.

Vivien Goldman stimmt auf schrägem Rhythmus das Stück Launderette an. Es klingt etwas Reggae, eine verzerrte Violine, dazu singt sie eigenwillig. Hinternwackeln? Fehlanzeige. Delta 5 strecken einem den Mittelfinger ins Gesicht, Mind Your Own Business – kehr‘ gefälligst vor deiner eigenen Tür! Lärmend zersägen die Gitarren aufkommendes Wohlgefallen. Euphorie wird gleich gebremst. Im Groove zu sein, heißt gegen den Groove zu sein.

Keine der Bands klingt wie eine andere zuvor. Disco Not Disco dokumentiert nicht etwa eine musikalische Bewegung. Die Musik ist wild assoziiert und nennt sich wahlweise New Wave, No Wave, New York und No New York, Belgian New Beat und Detroit Machine Music. Ach, etwas Prog-Fusion-Jazz ist auch dabei.

Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1974 bis 1986, der britische DJ Bill Brewster hat sie zusammengestellt. Seine Vision: Was nicht passt, wird passend gemacht. Ihm gelingt es, die unterschiedlichen Stücke in einen Fluss zu bringen. Wird es für einen Moment hektisch, darf sich der Hörer im nächsten erholen. So endet das Album auf der Silent Street von Maximum Joy. Der entrückte Gesang führt zurück zum Beginn der CD, zu Vivien Goldman. Am besten hört man sie also gleich nochmal.

„Disco Not Disco“ ist als CD erschienen bei Strut/!K7/Cargo.

Weitere Beiträge aus der Kategorie FUNK
Marcus Miller: „Free“ (Dreyfus Records/Soulfood Music 2007)
Medeski Scofield Martin & Wood: „Out Louder“ (Emarcy/Universal 2007)
Nik Bärtsch: „Stoa“ (ECM 2006)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Einfach ehrlich schön

Die Gruppe Slut aus Ingolstadt lässt Sägen und Trompeten dröhnen. Ihr Album „StillNo1“ gleitet vom Kitsch in die Kapitalismuskritik und läuft zügellos geradeaus.

Slut

Slut kommen aus Ingolstadt, bayrische Kleinstadt, 120.000 Einwohner, Hochburg der CSU. Das Provinzielle wird in der deutschen Rockmusik gern thematisiert. Erst kürzlich sangen Die Türen eine ironische Hymne auf die „Indiestadt“ Münster und auf die Fluchtgedanken, die einen dort umtreiben („Ich will in die große Stadt / Ich hab die kleine satt“).

Slut sind für die Aufnahmen ihrer neuen Platte vom bayrischen Weilheim nach Berlin gezogen und haben dort ein wundervolles Album produziert. StillNo1 heißt es. Der Sänger Christian Neuberger sagt: „Bei der Produktion herrschte große Zügellosigkeit.“ Noch vor einem Jahr hatte die Band die Dreigroschenoper von Kurt Weill und Bertolt Brecht für das Ingolstädter Schauspielhaus vertont – minimalistisch, sparsam instrumentiert.

Auf StillNo1 aber dröhnen die singenden Sägen, breiten Gitarren, Trompeten, Xylophone und Synthesizer. Ein neues Spielfeld habe man sich da geschaffen, schreibt Neuberger über die Platte. Man habe kein Konzept für das neue Album gehabt, außer den Wunsch, den Minimalismus über Bord zu werfen. Das ist gelungen.

Über der Musik schweben Neubergers Texte ohne Ironie: „If I had a heart / I would award it / If I had a soul / it was cold“, heißt es in einem Lied, das vom Verlernen der Liebe handelt. Das ist alles einfach und geradeaus. In dem Stück Ariel übt Neuberger sanfte Kapitalismuskritik: „We’re tought to think economic / if we don’t do it for money it’s like we don’t do it for all“. Es gibt Liebeslieder am Rande des Kitschs wie Failed on you und Wednesday. Und hin und wieder werden die Großen grob zitiert: Tommorow will be mine erinnert an die Beatles, Come On an Isaac Hayes.

Was anderswo störend wäre, passt zu Slut. Der Hörer sucht gar nicht nach einem ironischen Bruch oder besonderen Kniffen. Die Platte ist ehrlich und voller Begeisterung für die Musik. Das ist schön.

Beim Auftritt im ausverkauften Hamburger Knust stand Christian Neuberger am Mikrofon, die Gitarre umgeschnallt, und sang seine Lieder mit der Begeisterung eines 14-Jährigen und den Gesten einer Operetten-Diva. Gegen Ende des Auftritts spielten Slut eines ihrer ersten Stücke. Eine Rocknummer, wie gemacht für die Provinz, in der sich die Jugend an Busstationen trifft, um von der Welt zu träumen und Händchen zu halten.

Auf der Homepage der Band steht, was sich Slut vorgenommen haben: Don’t talk, just play. Auch das ist schön.

„StillNo1“ von Slut ist als CD und LP bei Virgin/EMI erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie POP
Clare & The Reasons: „The Movie“ (Frog Stand/Cargo 2007)
Naked Lunch: „This Atom Heart Of Ours“ (Louisville 2007)
Diverse: „Plum – 15 Years Of Thrill Jockey“ (Thrill Jockey 2007)
Get Well Soon: „Rest Now, Weary Head!“ (City Slang 2008)
Low: „Christmas“ (Chairkicker’s Music/Rough Trade 1999)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik

 

Planetarium, Spätvorstellung

Clare & The Reasons laden des Nachts in die Sternwarte: Sphärische Klagen und poppige Seufzer funkeln auf ihrem ersten Album „The Movie“.

Claire and the Reasons The Movie

Ein Mädchen geht von einer Party nach Hause. Dort hat es einen jungen Mann kennengelernt, der schon früher weg musste. Er hat gesagt, er würde sie vielleicht mal anrufen, aber das kennt sie schon. The same old story. Vielleicht mochte er ihre Stimme nicht, vielleicht hätte sie doch lieber ein anderes Parfüm auflegen sollen. Das Wörtchen vielleicht kann einen ziemlich nachdenklich machen, wenn man nachts um halb zwei nach Hause geht.

Clare Muldaur, die Tochter des Folk-Gitarristen Geoff Muldaur, fängt solch melancholische Schwebezustände ein und bleibt dabei stets in träumerischer Gelassenheit verwurzelt. Ihr Album The Movie trägt mediterrane Züge dank der betörenden Arrangements des französischen Violinisten Olivier Manchon. Er hat mit Muldaur am Bostoner Berklee College of Music studiert und leitet ein kleines Kammerorchester.

The Movie ist eine Spätvorstellung. Der Soundtrack setzt sich aus Nocturnen zusammen: Love Can Be A Crime (mit Van Dyke Parks am Piano) und Alphabet City darf man als moderne Torchsongs verstehen, als Klagen über unerwiderte Liebe. Cook For You balanciert zwischen neoklassischem Walzer und poppigen Seufzern. Die sphärische Planetenode Pluton erinnert von fern an die Worte des großen amerikanischen Komponisten Johnny Mercer (Moon River): Beim Schreiben pflege er sich auf sein Sofa zu legen und die Augen zu schließen, „um erst einmal in Einklang mit dem Universum zu kommen“. Clare Muldaurs Musik klingt bisweilen gar wie von einem anderen Stern, auch das ist sehr reizvoll an diesem außergewöhnlichen Album.

Und das Mädchen? Sie ist einen kleinen Umweg durch die stillen Straßen gegangen; das macht man manchmal, wenn man nachdenken muss. Inzwischen ist es nach halb vier, und als sie die Tür aufschließt, steht ihre Mitbewohnerin vor ihr. Wie soll man schon schlafen, wenn andauernd das Telefon klingelt? Das erste Mal um kurz nach zwölf, und danach ungefähr jede halbe Stunde wieder. Im Schwebezustand ist eben alles möglich. Genauso klingt The Movie.

„The Movie“ von Clare & The Reasons ist bei Frog Stand/Cargo erschienen.

Weitere Beiträge aus der Kategorie POP
Naked Lunch: „This Atom Heart Of Ours“ (Louisville 2007)
Diverse: „Plum – 15 Years Of Thrill Jockey“ (Thrill Jockey 2007)
Get Well Soon: „Rest Now, Weary Head!“ (City Slang 2008)
Low: „Christmas“ (Chairkicker’s Music/Rough Trade 1999)
Radiohead: „In Rainbows“ (XL Recordings/Beggars Banquet 2007)

Alle Musikangebote von ZEIT online finden Sie unter www.zeit.de/musik